Expatleben – Im Schatten des Coronaviruses

27. Blog am 31. Januar 2020

Eigentlich … ja eigentlich wollten ich ein etwas ruhigeres Jahr 2020 haben und mich nicht mit einem Coronavirus herumschlagen. 
Eigentlich … ja eigentlich wollte ich mit meinem Mann und meinen beiden Söhnen in den Chinese New Year Ferien Bangkok und Kho Samui in Ruhe entdecken, danach eine Woche Ferien in Shanghai machen und mit den Jungs und deren Freunden tolle Ausflüge erleben. 
Eigentlich … ja eigentlich wollte ich mich nicht um Schutzmasken und Desinfektionssprays kümmern. 
Eigentlich … ja eigentlich wollte ich mich nicht um das schwache Immunsystem meines Sohnes sorgen und zu Boots in Bangkok rennen und hochdosiert Vitamin C und Zink hamstermässig kaufen.
Eigentlich … ja eigentlich wollte ich mich um meine Fotobücher in Shanghai kümmern.
Eigentlich … ja eigentlich wollte ich nach Chinese New Year mit meiner Mandarin Lehrerin Nadia in die Kunst der chinesischen Schriftzeichen eintauchen. 
Eigentlich … ja eigentlich dachte ich, dass mein Mann in unseren 8 Tagen Urlaub mal ein bisschen zur Ruhe kommt von der vielen Arbeit und mal das Handy und den PC und das IPad zur Seite legt. 

Realität …

Der Status quo ist nun vollkommen anders. Wir sind auf einer tollen Insel in einer wunderschönen Villa und organisieren das Zurückkommen nach Deutschland.  

Kompliziert ist es insofern als daß wir nur Koffer mit Sommersachen dabei haben, was ich Aber nicht total schrecklich finde. Komplizierter ist, dass ich keinerlei Schlüssel und kein deutsches Portmonee dabei habe. Auch der Führerschein ist in Shanghai. Alles ist gut und sicher dort verstaut. 

Wer hätte denn gedacht, dass die Ereignisse um den Coronavirus sich so dermaßen überschlagen, dass wir nicht zurück nach Shanghai fliegen, sondern direkt heim? Ich nicht und mein eher risikoaverser Mann nun wirklich auch nicht. 

Krisenmanagement für 5000 Mitarbeiter und Hilfslieferungen

Ich bin einiges gewohnt und habe durch meine langen Jahre im Ausland meine Belastungsmöglichkeiten ausgetestet, aber das hier ist mal wieder eine neue Dimension. Es geht hier nämlich nicht nur um uns, um meine Gesundheit, die meiner Kinder und die meines Mannes. 

Mein Mann muss sich um die Gesundheit von 5000 Mitarbeitern in China kümmern, daß sie sicher sind dort wo sie sich befinden, daß sie aufgeklärt sind, daß die Produktion weiter geht und daß die Produkte auch ausgeliefert werden. Bei einem Pharmaunternehmen von großer Wichtigkeit, denn es geht um Medikamente und Impfstoffe für Mensch und Tier. So folge ich einer Krisenmanagement Konferenzschaltung nach der anderen. Und wenn das Telefon nicht klingelt, dann sitzt mein Mann am Pc. Ich klage nicht, denn es geht nicht um Umsatz, Profit, Strategie oder Produktlaunches! Es geht um die Mitarbeiter und um die Versorgung der Kunden mit notwendigen Medikamenten. Und es geht um die richtige Kommunikation mit dem Firmensitz. Und es geht um Hilfeleistungen in der betroffenen Region um die Millionenstadt Wuhan herum. Immerhin sind 40 Millionen Chinesen eingeschlossen, kein rein, kein raus, vom Prinzip nur Verkehr von Hilfslieferungen und Ärzten. Spenden in Form von Masken gehen auf den Weg und auch ein Hustensaft sowie Geldspenden sollen schnellstmöglich in der Region ankommen. Alles gilt zu organisieren und immer wieder Unklarheiten zu beseitigen. 

Vorbereitungen für Deutschland 

Ich in meinem eher kleineren Kreis kümmere mich darum, dass die Zwillinge versorgt sind, dass sie bei Laune gehalten werden und ich die Ankunft in Deutschland so unkompliziert wie möglich gestalte. Freunde sind hilfsbereit und so ist der Ersatzautoschlüssel schon gefunden, eine neue EC Karte beantragt und für Sonntag ist unser Kühlschrank gefüllt und die Heizung in unserem Haus im Grünen eingeschaltet. 

Dennoch werden wir uns erstmal von den Freunden fern halten, es besteht eine gewissen Unruhe, ob wir nicht doch vielleicht den Virus in uns haben und er nur noch nicht ausgebrochen ist. Wir werden die 14 Tage Inkubationszeit, die eigentlich nur für Rückkehrer aus der Krisenregion gilt, einhalten und erst in der nächsten Woche Freunde treffen, oder eben Mundschutz tragen.  Wir wollen niemanden verunsichern. Unsicherheit ist schon genug da. 

Schule der Kinder

Ich gehe gedanklich diverse Szenarien durch, was mit den Zwillingen passiert, wenn wir erst einmal nicht mehr nach China fliegen können, weil keine Fluggesellschaft mehr Städte in China anfliegen will und sie nicht dort in die Schule gehen können. Die Lufthansa hat die Flüge von und nach China gestern eingestellt und auch British Airways fliegt vorerst nicht mehr. Natürlich könnten wir über andere Länder zurück fliegen, aber gesichert ist dies nicht, denn auch andere Fluggesellschaften könnten ihren Flugbetrieb vorübergehend einstellen. 

Die Britische Schule in Shanghai wird ab dem 10.2. den Kindern online Aufgaben zuschicken, damit der Schulbetrieb ein wenig weiter geht. Stoff der 8. Klasse ist jetzt weder für mich noch für meinem Mann kritisch – da kann ich helfen und lerne vielleicht dabei noch etwas dazu. Langfristig ist dies aber sicher keine Lösung, denn was mache ich den Rest des Tages mit den Kinder? Wir sind in keinem Fussballclub mehr angemeldet, noch kann ich Musikunterricht mal eben buchen. So werden es lange Tage, an denen ich das Handy der Kinder sicher manchmal verfluchen werde und vielleicht es auch mal für ganz hilfreich sehe, wenn ich Ruhe für anderes haben möchte.

Die Grundfrage, die sich aber für mich und sicher für viele andere Expatfamilien, die mittlerweile in Deutschland mit oder ohne Kinder sind, stellt ist folgende: 

Will ich überhaupt so schnell nach China zurück, wenn die Schule am 18.2. wieder losgehen sollte und die Lage immer noch nicht überschaubar ist? Tue ich das mir und meinen Kindern an?  Was ist dann mit der Schulpflicht? Ob die alte Deutsche Schule die beiden so einfach für eine gewisse Zeit aufnimmt? Wollen das die Jungs? Oder schicke ich sie zur Schule der Geschwister in Schottland, wo sie zumindest die Lerninhalte des Britischen Schulsystems mehr oder weniger unterrichtet bekommen könnten? 

entscheidend: das Bauchgefühl

Unke ich nun zu sehr rum? Ich denke, jeder muss auf sein Bauchgefühl hören, Pflicht und Notwendigkeit abwägen, Konsequenzen und Alternativen. Sicher ist, dass einer meiner Söhne schon immer ein angeschlagenes Immunsystem hat und ich ihn in keinster Weise in irgendeine noch so kleine Gefahr bringen will. Dies ist sicher für alle, ob Mutter oder Frau, ob Vater oder Mann, nachvollziehbar. 

Es geht immer wieder um Safety First und um eine Entscheidung, die nicht nur wir als Eltern für richtig empfinden und unseren Kinder so auch vermitteln, sondern auch um das Wohlbefinden der Großeltern und Geschwister meines Mannes und von mir. Sorge haben um jemanden ist kein guter Begleiter im Leben. 

Es kommt die Zeit, in der wir zurückblicken und hoffentlich sagen können: Schatz, wir haben alles richtig gemacht! Und das wünsche ich allen anderen Expatfamilien auch, die irgendwo in China sind oder in die Heimat geflogen sind.

Bleibt gesund! 

Luise 

P.S.:

Einige Informationsquellen, die ich als seriös erachte und die ich täglich nach Updates aufrufen: 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: www.faz.net
Süddeutsche Zeitung www.sueddeutsche.de
Weltgesundheitsorganisation www.who.int
Deutsche Botschaft Peking, China (https://china.diplo.de)

Nützlich und auch erledigt: 
Elektronische Registrierung von Deutschen im Ausland https://elefand.diplo.de

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