Schlagwort: Corona

Time to say GOODBYE

39. Blog am 6. Oktober 2022

Heute erschien in meiner lokalen Tageszeitung ein Artikel mit dem Titel: „Ausländer verlassen China“. Über eben diesen Artikel bin ich gestern schon aufmerksam gemacht worden. Er erschien in der WELT und ließ mich mit vielen Gedanken zurück. Der Artikel ist gut, denn er spiegelt genau wieder, was gerade mit den Expats in China passiert. Sie verlassen in Scharen das Land. Verständlich!

Ich habe im März Shanghai nach nur kurzer Wiederaufnahme meiner Expatzeit erneut verlassen. Es sollte nur für die Osterferien sein. Dann kam der wochenlange Shanghai-Lockdown, den wir aus der Ferne in Deutschland erlebt haben. Wir haben mit unseren Freunden in Shanghai gelitten. Mir war irgendwann klar, daß ich nicht mehr zurück nach China gehen werde. Die Gründe liegen auf der Hand. Freiheit!

Shanghai-Calling ist meine erste Blogseite geworden. Ich schreibe hier über das Leben als Expatfrau und Expatmutter seit 2019. Anfangs schrieb ich aus Deutschland und berichtete über die Vorbereitungen für das Expatleben 3.0, dann schrieb ich eine kurze Zeit aus Shanghai bis dann im Januar 2020 Corona in China ausbrach und ich aus Asien mit meiner Familie floh. Fast 700 Tage war ich nicht in Shanghai dank Corona, aber geschrieben habe ich weiter, da ich ja zurück wollte und dies auch im letzten September gemacht habe.
Da ich nun nicht mehr in China bin, werde ich meinen schönen Blog über das Leben im Ausland auch nicht mehr weiterführen. Es ist wie es ist. Eine Entscheidung.

Das Expatleben 3.0 haben wir uns als Familie vollkommen anders vorgestellt. Es sollte alles nicht sein und so blicke ich nach vorne, stehe auf und richte mein Krönchen. Ein Kraftakt.

Das Leben geht in der Heimat weiter, bei und mit Familie, Freunden und Bekannten und mit allem, was uns an der Heimat gefällt: die Freiheit, die Natur, der Sport, die Hobbies, die Traditionen und die Menschen. Freude.

Der Blog hat mir die letzten vier Jahre viel Spaß gemacht, ich habe viele unglaublich nette Menschen darüber kennengelernt und ich habe vielen Familien bei ihren ersten Expat Gehversuchen geholfen, habe sie beraten und auch mal Verzweiflungstränen übers Telefon getrocknet. Eine Bereicherung.

Shanghai ist eine pulsierende Stadt, ich habe die tanzenden Paare und Musikanten beobachtet, habe meine Fototouren, meinen Schneider, die Stoffmärkte, den Bund, die French Concession, meinen kleinen Arbeitsplatz im Baker & Spice, den Blick aus unserer Wohnung im 36. Stock, die Begegnungen mit anderen internationalen Familien, die tollen Restaurants und die vielen Fahrradtouren durch die nie schlafende Metropole am Yangtse genossen. Ab ins Erinnerungskästchen.

Allen Expats, die sich jetzt auf den Weg nach China machen, wünsche ich nur das Beste und ich bewundere den Mut und den Optimismus. Good Luck!

Einen Dank an meinen Mann, der mich nimmt, wie ich bin und an meine vier Kinder, die alle eine harte Zeit durchgemacht haben und auf die ich unglaublich stolz bin und die im Leben nicht mehr so viel schocken kann. Xié Xié!

Herzlichst,

Luise


Freiheit ist schon was schönes

The Bund Shanghai

38. Blog am 15. Februar 2022

Ich war noch nie in meinem Leben 3 Wochen eingesperrt. 2 Wochen in einem Hotel und eine Woche zu Haus. Kein Entkommen. Auch nicht mal eben kurz raus. Es ist eine Erfahrung, die man eigentlich nur macht, wenn Du etwas Schlimmes gemacht hast und das Recht spricht. Jedoch, wenn Du zur Zeit nach China möchtest, ist das die Pflicht, die du erfüllen musst, damit du wieder dort ankommst, wo du als Expat nun einmal gerade lebst.

Olympia in Peking

Zur Zeit bekommt die Welt etwas detaillierter die chinesische Gangart mit, denn es sind Olympische Spiele in Peking und der ein oder andere Athlet oder Funktionär muss sich unverzüglich in ein Quarantäne Hotel bewegen, wenn ein positiver Covid Befund vorliegt. Das ist kein Spaß, denn es ist kein Hotel mit gefüllter Minibar, täglich frischen Handtüchern oder gutem Essen und vor allem für die Sportler ausreichend Möglichkeiten, sich fit zu halten und das Hoffen, bald ins Olympische Geschehen doch noch eintreffen zu können.

Unsere Quarantäne im Hotel

Mein Mann und ich hatten das Glück, dass wir zusammen in ein Quarantäne-hotelzimmer für die 14 Tage gehen konnten. Eine kleine Suite. Alles schon ziemlich abgewohnt. Ein Sofa, zwei Sessel, eine Chaiselongue. Alle haben deutlich bessere Tage gehabt. Der Couchtisch klebt. Überall weiße Ränder vom Desinfektionsspray. Das Zimmer ist eher oberflächlich für den ersten guten Eindruck gesäubert worden. Die Schiebetür zwischen Wohnraum und Schlafzimmer klemmt. Ein Schreibtisch plus Stuhl. Ein Wasserkocher. 3 Dosen Chlortabletten für die Toilettenspülung, zu benutzen bei jedem Besuch des stillen Örtchens. 4 Rollen Klopapier. Ein Stück Seife. Je zwei große und kleine Handtücher. Mülltüten. 3 Pack Papiertaschentücher. Ein Kühlschrank – leer. Fenster können ein bisschen geöffnet werden – Frischluft ahoi. Ein Segen. Der Blick aus den Fenstern im 11. Stock ist trüb, eine große Straßenkreuzung, eine Hochstraße dazu und graue Hochhäuser auf der anderen Straße. Das Bett groß, weisse gebügelte Bettwäsche, die Matratzen laden nicht zum gemütliche Liegen ein, bretthart.

Realer Kontakte nach draussen

Für 2 Wochen waren wir dort eingesperrt, ein Entkommen nicht möglich, auch nicht mal eben über den langen Korridor sprinten, um mal die Beine aus einem Dauerschlafmodus zu bekommen. Jeden Tag für 14 Tage klopft es morgens und abends an der Tür. Ein weisser Marsmensch (genau so wie wir sie gerade bei den Olympiaübertragungen sehen) steht vor uns mit dem elektronischen Temperaturmesser. Volle Montur. Wir hechten schnell hin und strecken die Hand vor. Kommunikation eher wenig. Es ist vielleicht ein nîhâo – Hallo – und ein xièxie – Danke – . Wenn es ein netter Marsmensch ist, dann kommt ein bùkèqì hinterher – da nicht für. So schnell sie kommen sind sie auch wieder weg und klopfen an der nächsten Tür. Zusätzlich haben wir an Tag 4, Tag 7, Tag 11 und Tag 13 beim Marsmännchen an der Tür einen Coronatest gemacht. Nase und Rachen. Dabei haben wir genau aufgepasst, dass auf dem kleinen Röhrchen, wo die Teststäbchen reingesteckt wurden, auch tatsächlich unser Name drauf steht mit unserer Reisepassnummer. Morgens, mittags und abends gab es Essen, ein kleines Klopfen an der Tür signalisierte, auf dem kleinen Tischchen vor der Tür ist eine Plastiktüte mit zwei mal Essen. Zu geniessen war das Essen allerdings bis auf die Spaghetti nicht wirklich.

Virtueller Kontakt nach draussen

Eine liebe Person vor Ort hat uns zum Glück fast täglich mit tollen Carepaketen versorgt. Brot, Butter, Aufschnitt, Früchte, Müsli, Milch, Kekse. Sehr geschickt hat sie die Dinge verpackt, so ein bisschen Schmuggeln war von Nöten. Die Kaffeemaschine hat intensive Diskussionen beim Personal ausgelöst, aber die Verhandlungen liefen gut für uns und der Kaffee hat uns jeden morgen wach werden lassen.
Natürlich haben Freunde in Shanghai sich um uns gekümmert, immer wieder nette Nachrichten oder Anrufe und das Countdown zählen haben wir gemeinsam gefeiert.

Unsere Kinder haben uns sicherlich 50 mal angerufen, das war schön! Manche Gespräche mit Freunden waren für beide Seiten ein Augenöffner: „Ach so, ihr habt gar keine Minibar?“ … “ Nein“ … „Ihr bekommt wirklich keine neuen Handtücher in 14 Tagen und keine neue Bettwäsche? Da würde ich mich mal beschweren!“ … „Nein, das lassen wir lieber!“ … „Ach, ihr könnt nicht vor die Tür, hier in Deutschland machen das viele, zumindest nachts mal die beide vertreten!“ … “ Nein, hier sind überall Kameras und wir sind ja nicht zu hause!“ … „Könnt ihr nicht Zimmerservice ordern?“ … “ Nein, dies ist ein Quaranränehotel, es hat mit einem Hotel nichts zu tun!“

Germans stranded outside of SH

Das Pendant zu WhatsApp ist in China WeChat. Dies ist das zentrale Kommunikationsmedium, privat wie beruflich. Eine für deutschsprachige Expats lebensnotwendige Gruppe heisst: Germans stranded outside of SH. Hier sind während meiner 2 Wochen die Nachrichten im Sekundentakt gekommen. Die sowieso schon sehr wenigen Flüge aus Deutschland von Lufthansa und China Eastern drohten einer ums andere gestrichen zu werden. Die chinesische Flugaufsicht zählt die Menge an positiven Fällen, die eine Flugverbindung ins Land bringt, bei 5 akkumulierten Fälle wird diese Verbindung für 2 oder 4 Wochen gestrichen. Die Buchungen werden storniert, der Fluggast muss sich einen neuen Flug suchen. Da alle Flüge bis August sowieso schon hoffnungslos ausgebucht sind, stranden eben viele in Deutschland. Daher der Name dieser Gruppe. Schicksale und Verzweiflung gepaart mit Wut, Resignation und Hilflosigkeit lassen alle Gruppenmitglieder zusammenrücken. Alle versuchen zu helfen, zu trösten. Manch einer hat schon Flustornierungen zwei mal erlebt, das 3 Monatsvisum ist abgelaufen. Hier heisst es dann ein neues Visum zu beantragen und auf einen positiven Bescheid zu hoffen. Und ein Start in China verzögert sich auf unbestimmte Zeit.
Die Deutsche Außenhandelskammer organisiert seit Ausbruch der Pandemie immer wieder Charterflüge nach Qingdao für Mitarbeiter von den Firmen, die Mitglieder der AHK sind. Die Quarantänehotels dort sind sehr ordentlich und direkt am Meer. Wer Glück hat bekommt ein Zimmer mit Blick aufs Meer und mit kleiner Terrasse. Dort müssen dann alle zur Zeit 3 Wochen ausharren. Aber viel glücklicher sind diejenigen, die einen Platz in den Fliegern bekommen. Es scheinen ausserplanmässig weitere Flüge angeboten zu werden. Die Verzweiflung ist groß bei denen, die gestrandet sind, verständlicherweise.

In der WeChat Gruppe kursierten auch Informationen zu den einzelnen Quarantänehotels und so haben ich auch meinen Input gegeben zu Quarantänehotel 45 im Stadtteil Pudong.

Die 3. Quarantänewoche zu Hause

Der Abtransport vom Quarantänehotel in unser Apartment lief aus chinesischer Sicht total schief. Der Bus war nicht da. Für uns herrlich, denn wir konnten uns draussen auf dem hermetisch abgesperrten Vorplatz des Hotels bewegen. Für eine Stunde sind wir in großen Schleifen hin und her gelaufen, ich kam auf 8000 Schritte. Luxus. Klar, die hätte ich im Hotelzimmer auch laufen können, aber wenn nach 7 Schritten das Zimmer endet ist es eher ein mühsames Unterfangen.

Ein großer Reisebus, zwei Marsmännchen, mein Mann und ich samt Kameraüberwachung. Der Concierge in unserem Compound wusste, dass wir kommen, unsere Koffer wurden desinfiziert, der Aufzug vor uns sicher auch nach unserer Benutzung auch. Und wieder Marsmännchen. Unsere Apartmenttür hatte schon einen kleinen Bewegungssensor. Die gefühlten 2 Stunden draussen waren vorbei. Die Tür schnappte ins Schloss. Wir waren zu Hause, raus durften wir nicht, unser Müll wurde von Spezialkräften jeden Morgen abgeholt und in gelbe Sondermüllsäcke für die Verbrennungsanlage gestopft. Das war das einzige, was aus der Wohnung gelagen durfte. Ein unterzeichnetes Dokument meines Mannes für seine Firma durfte unsere vier Wände nicht verlassen. Ein Virus kann überall hocken.

Frische Handtücher, duftende Bettwäsche, weiche Matratze, voller Kühlschrank, eigenes Sofa, Terrasse, Willkommensgeschenke von Kollegen und jede Menge Blumen. In China kursiert der Glaube, dass Deutsche nur Bier trinken … ein Korb mit 40 unterschiedlichen Flaschen lächelte uns auch an. Nach 2 Wochen leberfreundliches Leben ein herrlicher Geschmack. Kühles Bier – ja, einfach lecker.

Freiheit ist ein großes Gut

Ja, ich kann sagen, dass die Freiheit und das unbeobachtete Bewegen doch ein sehr hohes Gut ist. Natürlich haben wir die 3 Wochen überstanden. Natürlich war es nicht immer schrecklich. Natürlich haben wir nach 4 Wochen intensiven Weihnachtsferien die Ruhe auch genossen. Natürlich ist es nicht schlimm, für einige Zeit eher von Müsli und Brot sich zu ernähren. Natürlich sind 10 Stunden Netflix am Stück möglich und anstrengend. Natürlich sterbe ich nicht, wenn das Handtuch nach 10 Tagen stinkt. Aber es ist dennoch eine mentale Belastung und eine emotionale Herausforderung. Ich ziehe meinen Hut vor meinem Mann, der nun schon die 5. Quarantäne überstanden hat. Und es wird für uns nicht die letzte gewesen sein. Immerhin leben unsere Kinder und Eltern und Geschwister und Freunde alle in Europa. Und dort müssen wir hin und wieder hin und wir vergessen auch immer wieder schnell, was unsere Flugtickets so kosten. Wir können froh sein, dass wir welche bekommen und dank nicht nur der Germans stranded in SH sind wir immer auf dem Laufenden, wie sich die Flugsituation nach China gestaltet. Die Hoffnung auf bessere Zeiten besteht, wann das allerdings sein wird, mag keiner wirklich prognostizieren.

Wie immer freue ich mich über Kommentare und wer einen Einblick in meinen Alltag in Shanghai haben möchte, der kann gerne SHANGHAI.CALLING auf Instagram folgen!

Luise

Zurück in Shanghai nach ungewollter Abwesenheit

37. Blog am 21. Januar 2021

Die Rückkehr nach Shanghai nach meiner gezwungenen Abwesenheit durch Corona bedingt ist geglückt. Von September bis Dezember tauchte ich wieder in die Stadt ein. Dann ging es zu den Weihnachtsferien in die Heimat zurück. Hier nun ein kleiner Rückblick auf die Zeit des Reentry to expatlife.

Die Situation

Für diejenigen, die meinen Blog heute zum ersten mal lesen: Mein Mann, meine Zwillingssöhne und ich flohen Ende Januar 2020 aus Thailand vor Covid nach Deutschland und ich bin fast 600 Tage in Deutschland gestrandet. Meine Zwillingssöhne sind erst gar nicht mehr mit mir zurück nach Shanghai, sie gehen nun in Europa auf eine Schule. Mein Mann pendelte mit allen Restriktionen hin und her.

Die Tatsache, dass ich mich seit Rückkehr um meine Kinder hier vor Ort nicht kümmern musste, ließ mich viel freier in der Stadt bewegen, ich musste mich nur um mich und meinen Mann kümmern. Ein neues und so dermaßen ungewohnte Situation, dass wir das erstmal lernen mussten. Plötzlich allein, im 23. Ehejahr, keine Schulevents, keine Unterstützung bei Hausaufgaben, keine Schulbrote. Aber wie vieles im Leben, die Umstellung ging schnell.

Die Abwesenheit von Kindern bedeutet nicht, dass sie nicht omnipräsent sind. Das Kümmern geht immer weiter und ich kann wirklich sagen: Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen. So ziemlich alles ist aus der Ferne lösbar, sofern es nicht um die Gesundheit der Kinder geht und Mama vor Ort bei den Kindern nicht zur Supermom werden muss.

Kindererziehung

Dankbar blicke ich auf fast 20 Jahre Kindererziehung zurück und mir war immer wichtig, dass meine Kinder selbständig werden. Selbständigkeit bedeutet für mich, sich ohne Scheu auf neues Terrain zu begeben und aus bereits gemachten Erfahrungen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn die Entscheidungen doch auch mal falsch sein können. Dabei stossen die Kinder immer wieder an Grenzen, das ist ganz normal. So sind mein Mann und ich hier aus der Ferne eine sichere Bank und dann ergeben sich auch mal SOS Anrufe in der Nacht. Wir leiten und begleiten und geben den Kindern Sicherheit. Ein großes Learning für meinen ältesten Sohn ist nach Jahren sicherer Bubble zu Hause und im Internat, dass die Welt da draussen nicht immer freundlich ist und keiner auf dich wartet. Nach tiefen Tälern kommt der Berg und dann auch die Sonne.

Leben in Shanghai

Das Expatleben nach gut 10 Wochen in China ist ein anders als vor der Pandemie. Es ist deutlich zu spüren, dass viele Expats das Land verlassen haben oder eben nach der spontanen Ausreise im Februar 2020 erst gar nicht zurück gekommen sind. Das habe ich bereits in meinem letzten Blog angemerkt und es hat sich bestätigt. Immer mehr Expats werden zum Jahresende das Land verlassen oder werden zu den Sommerferien 2022 vollkommen entkräftet dem Land den Rücken zukehren.

Gemerkt habe ich das unter anderem in unserem Compound Chat mit 380 Mitglieder. Ganze Wohnungseinrichtungen wurden ständig verschenkt und verkauft. Dies unter dem Motto, das Zeug los zu werden und nicht zu viel Ballast mit zu schleppen. Verabschiedungen und liebevolle Wünsche von denen, die bleiben oder hier wohnen. Emotionale Momente und es wird klar, dass die Menschen sich näher gerückt sind auf eine sehr emphatische Art.

Hilfe unter den Expats

Ein Leben auch in der Ferne ist ohne Freunde oder Bekanntschaften nur halb so schön. Mein Mann hatte sich einer sehr lustigen Sportgruppe angeschlossen, mehrheitlich unkomplizierte Briten. Diese habe ich im September direkt kennengelernt und in mein Herz geschlossen und mir war klar, sie hatten sich um meinen Mann in meiner Abwesenheit gut gekümmert. Auch haben seine Kollegen ihn vor allem wochenends zu allen kulinarischen Touren mitgenommen. So ist Position in einer Firma am Ende nicht das was wichtig ist, sondern die Zugewandheit untereinander in einer Pandemie, wo alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben und für viele die Familie in der Ferne unerreichbar war und ist.

andere Expatfrauen

Kontakte zu Schulmüttern habe ich nicht auffrischen können, aber eine handvoll anderer Expatfrauen waren ausreichend, damit ich gemeinsame Touren schnell verabredet habe.

Und nichts ist schöner als mit Si-Young die Leidenschaft für Stoffe zu teilen und ununterbrochen auf Materialjagd zu gehen und mit dem Schneider neue Blusen aus schönster Seide zu kreieren. Ich bin nun stolze Besitzerin eine Cashmere Marlene Dietrich Hose und habe den coolsten Laden für Stickereien entdeckt. Wenn ich schon so viele Leidenschaften hätte, würde ich glatt Seidenblusen nach Maß nach Deutschland exportieren. Eine Bereicherung und dies ist nun wirklich nur in China möglich.

Und dann hatte ich da noch Alexandra, mit der ich immer im losen Kontakt während meiner Zeit in Deutschland geblieben war. Sightseeing mit der Kamera! Da trafen wir zwei uns und Gesprächsstoff ging uns nie aus und Ideen für weiteres Eintauchen in die chinesische Kultur und dunkle Ecken von Shanghai auch nicht. Eine Bereicherung für mich und ich bin beeindruckt von ihr. Sie hat mit Nicole während der Pandemie ein Buch geschrieben: 111 Orte in Shanghai die man gesehen haben muss. Ich habe es gerade in der Quarantäne verschlungen, in einem nächsten Blogbeitrag stelle ich es vor.

Und dann sind da noch Andrea und Pavol, Slowaken, die zuvor in Moskau gelebt haben. Profi-Expats. Sie haben auch eine unglaubliche China-Corona-Odyssee hinter sich. Die Sehnsucht nach Normalität ist ihnen bei jedem Treffen aus ihren Gesichtern zu lesen. Sie sind einfach ganz feine Menschen, nach kurzer Zeit durfte ich sie für mich als gute Freunde bezeichnen. Sie teilen die Liebe zu gutem Essen und für schöne Reisen und dies haben wir in den drei Monaten ausgiebig gemacht, auch wenn einige Reisen durch Coronarestriktionen gestrichen werden mussten. Eine Bereicherung fürs Leben.

Und dann ist da natürlich noch mein Partner, Ehemann, Freund, Zentrum, Kompass, Vater meiner Kinder, Korrektiv und Teamplayer. Das Ziehen in die gleiche Richtung ist während echt steinigen Zeiten das Rezept dafür, dass auch eine gewisse Leichtigkeit immer wieder da ist. Wunderschöne Fahrradtouren haben wir an den Wochenenden unternommen, Yunnan für uns entdeckt, die Wohnung verschönert, den Schneider gemeinsam auf Trab gehalten, unzählige Abende in Restaurants verbracht, Kunst erworben, Ausstellungen besucht, das Dickicht eines Systems gemeinsam ertragen, die Kinder auf ihrem Weg aus der Ferne beraten, ermutigt und gelobt.

Und dann bin ich natürlich meiner großen Leidenschaft nachgegangen: Die Fotografie. Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Nachfolgend ein paar Eindrücke, die ich entweder bewusst gesucht habe oder die ich auf meinen Fahrradtouren aufgegriffen habe:

Es war eine unbeschwerte Zeit in dieser Megametropole, die voller Gegensätze und Kuriositäten ist, die weltoffen sein möchte, aber in der Pandemie sich nicht weltoffen zeigt. Wann sich die vielen Märkte und Sehenswürdigkeiten sich mit Touristen wieder füllen, internationale Künstler und Orchester wieder nach China reisen können, das lässt sich nur erahnen. Mein Mann und ich werden dies wohl nicht mehr erleben und unsere Kinder werden uns wohl nicht mehr hier besuchen können. Irgendwann endet eine Entsendung.

Weihnachten nach Hause zu den Kindern

Am 10. Dezember bin ich mit meinem Mann mit der Lufthansa vom Internationalen Flughafen Shanghai-Pudong heim. Die eigene heimische Fluggesellschaft zu betreten, macht nach Jahren im Ausland zu leben schon ein Gefühl von: Gleich bin ich da. Schön. Die Vorfreude, bald unsere Kindern nach 3 1/2 Monaten zu sehen war uns ins Gesicht geschrieben.

Am Schalter standen viele europäische Familien nicht nur mit Reisegepäck, sondern ganz offensichtlich mit Ausreisegepäck. Koffer über Koffer. Ich sah einen kleinen Jungen, der seinen eigenen Rollkoffer hinter sich her zog. Daran hing unter dem Griff ein zerknittertes Schlafkissen. Es sah aus wie das Lieblingskissen, das überall mit hin reist. Und ich sah seinen Fahrradhelm links daneben baumeln. Aus seinem Rucksack guckte ein Kuscheltier. Es war klar, hier zieht jemand um. Um ihn herum die Eltern mit den Geschwistern und jeder Menge Koffer. Sah ich Erleichterung in ihrem Augen? War es Flucht vor den Restriktionen oder war es das pandemieunabhängige Ende der Entsendung und des Chinaaufenthaltes? Ich weiss es nicht.

Wir freuten uns mit jeder zwei großen Koffern voller Weihnachtgeschenke auf Heimat und die Kinder. Im Koffer waren so einige Unikate, die ich habe anfertigen lassen, von denen mein Mann keine Ahnung hatte und die Kinder sowieso nicht. Das Wiedersehen war ein Genuss, Weihnachten wie immer festlich, besinnlich und schön. Die Unikate ein Volltreffer.

Zurück nach Shanghai

Auf dem Rückflug nach China Anfang Januar war der leere Platz im Koffer mit jeder Menge Fourage gefüllt, damit die 2 Wochen Hotelquarantäne nicht so freudlos werden. Aus dieser Hotelquarantäne aus schreibe ich gerade. 10 von 14 Tagen sind rum. Danach folgen noch 7 Tage verschärfte Heimquarantäne. Alles zum Zwecke der 0 Covid Politik in China. Nach Hause geht es Dienstag mit deutlich leereren Koffern, die Vorräte gehen zur Neige und der Wunsch nach dem eigenen Bett wächst.

Das ist Expatleben in China zu Zeiten von Corona. Leicht ist anders. Aber jammern nutzt nix! Ich freue mich auf Si-Young, Alexandra, Andrea, Pavol und die vielen anderen Menschen, die mir die Rückkehr nach Shanghai so leicht gemacht haben.

P.s.: Wer mag kann auch gerne meine Beiträge auf Instagram verfolgen. Sucht nach shanghai.calling !

Dieses Jahr wird besser

Terrakottasoldaten-xi’an-china

33. Blog am 17. Januar 2021

“Dieses Jahr wird alles besser“ – das ist der Titel vom ersten Frankfurter Allgemeine Zeitung Magazin im neuen Jahr. Eine lächelnde junge Frau ist fotografiert. Im Hintergrund ein Wandfoto, das mich an ein spektakuläres Feuerwerk erinnert und das junge Model hat Turnschuhe an. Ich denke, sie wird sicher gleich lossprinten und allen erzählen, dass dieses Jahr besser wird. Das wollen ja auch alle.

Mit dem Satz “nächstes Jahr wird alles besser“ habe ich mich durch die letzten Monate von zwanzig zwanzig geschleppt mit dem Denken: Luise, nur durchhalten, es ist bald vorbei. Naivität gemixt mit der rosaroten Brille habe ich mich – und auch andere plötzlich sehr liebgewonnene Menschen – hochgehalten. Sylvester habe ich dann auf der Terrasse mit meinem Mann und meinen vier Kindern gestanden, Champagnerglas und eine Lucky Strike in der Hand und meine Tränen liefen mir nur so über die Wangen. Jaaa, es ist vorbei. Es hat lange gedauert, bis ich mich beruhigt und einen kleinen Böller in die Hand genommen habe, den mein Sohn aus seinen Vorräten herausgezaubert hat. Er sollte in der Luft knallen, damit es so richtig schön laut ist. Hat nicht geklappt, bin dann doch ein Pyroschisser! Die Zündschnur war noch zu lang und der Böller landete im tiefen Schneetreiben. War das schon ein Omen? Der Gedanke kam und ich habe schnell einen herrlichen weiteren Schluck vom guten Tropfen genommen. Und auch eine weitere Lucky Strike war angezündet – langwährende ab und zu Laster sind im richtigen Moment doch eine Bereicherung fürs Leben.

Ich hatte Recht

Das Omen hat sich bewahrheitet. Der Lockdown ist nun verlängert und die erdachten Lockerungen des Lockdowns und der Alles ist Gut Gedanke natürlich erstmal begraben. Die Rückkehr in mein Expatleben ist um ein weiteres Mal verschoben. Mein Mann bucht zur Zeit nichts, sondern bucht nur um. Ich sollte mit ihm im Oktober schon einmal nach Shanghai zurück fliegen und er hatte mir sehr lieb ein Businessticket gebucht. Dieses ist nun herrlich dauernd umbuchbar und nix verfällt. Auch mal ganz gut!

Homeschooling

Auch der Flug der Kinder zurück in ihre Schule nach Schottland ist nun umgebucht. Die Hoffnung, dass die Internate in UK in ihrem Bubble normalen Schulalltag leben können, hat sich durch die Ankündigungen der Schottischen Regierung zerschlagen. So sind in unserer Bleibe im Hunsrück die Gartentische wieder im Haus verteilt, der Kampf mit dem WLAN wieder aufgenommen. Ich merke, dass es den Kindern leichter fällt als im Sommer, sich auf die Schule und das Homeschooling einzulassen. Die Schule gibt sich größte Mühe, ein gutes Homeschooling auf die Beine zu stellen. Sie hat einige Änderungen vorgenommen und versucht redlich, dass die Kinder dran bleiben. Auch ich bin besser geworden in der Organisation und so haben wir als Familie vom Montag bis Samstag nun einen Plan:

8:00 Uhr gemeinsames Frühstück
8:30 Uhr duschen, anziehen – keinen Pyjama!
9:00 Uhr schulfremdes Buch oder Zeitschrift oder Zeitung lesen
9:40 Uhr Unterrichtsbeginn
12:00 Uhr Mittagessen fertig. Jeder nimmt, wann er Pause hat.
16:30 Uhr wer fertig ist braucht Bewegung. Meist machen wir einen großen Spaziergang. Luft schnappen, Kopf frei bekommen.
19:00 Uhr Wir kochen zusammen, Essen mal vor der Glotze oder am Tisch. Gerade spielen wir gerne Klugscheisser oder Tabu!

Morgen geht es so gleich weiter.

Das Leben als Expatfrau

So richtig fühle ich mich zur Zeit nicht als Expatfrau, eher als eine Gestrandete in ihrem Wochenendhaus in Deutschland, die mal in die eine Richtung schwimmt und mal eine flotte Wende macht, denn in die andere Richtung schwimmt es sich leichter. Das Wenden im Wasser kann ich gut, das ist antrainiert. Jedoch ist die andere Richtung auch nicht immer angenehm, zu kaltes oder auch zu heisses Wasser, Strömungen von links und rechts. In einer ruhigen Bucht ist ein Ausruhen mal ganz gut, aber die Bewegung muss sein, damit ich nicht unterkühle. Ich treffe auf Untiefen mit spitzen Steinen. Da ratsche ich mir die Beine auf und es blutet und ich weine vor Schmerzen. Pflaster drauf und weiter.
So ähnlich kann es auch anderen Expatfrauen gehen, die in der Pandemie vor vollkommen neuen Herausforderungen stehen. Ich möchte zurück in das Land, in dem ich mit meinem Mann und meinen beiden jüngsten Kindern mein drittes Expatleben begonnen habe, auch wenn es dort dann vollkommen anders ist, denn die beiden Jüngsten kommen nicht mehr mit und der Alltag dort würde ganz anders aussehen. Corona hat unser Leben nun wirklich komplett auf den Kopf gestellt, da hilft nix Beschönigendes!

Es gibt da draussen so viele Expatfrauen, die endlich mal wieder in die Heimat wollen, die Eltern, die Geschwister, die Freunde wiedersehen wollen. Sie können nicht zurück vor Sorge vor einer Infektion oder der Quarantäneverpflichtungen bei Einreise nach Deutschland oder der Quarantäne bei Rückreise ins Expatland. Besonders China hat sehr strenge Auflagen und eine Lockerung scheint nicht in Sicht zu sein.

Vielen Expatmüttern folge ich auf Instagram, die von ihrem Leben berichten und einen kleinen Einblick in ihren Alltag gestatten. Bei allem Kopf hoch und wir schaffen das höre ich doch auch immer wieder Verzweiflung und Kaftlosigkeit durch. Belastbarkeit hat eben auch eine Grenze. Bei der einen Mutter mehr bei der anderen weniger.

Hilfe annehmen erlaubt

Auch wenn Du als Leser glaubst, es ist alles einfach und Luise wird schon im Wasser nicht untergehen, sie ist doch sportlich, groß (ja ich bin 1,82cm) und hat vier Kinder groß gezogen, so muss ich sagen, dass ich Grenzen überschritten habe. Ich habe über Instagram einen tollen Coach in Frankfurt gefunden. Darüber hinaus bin in einer 14 tägigen Zoom Meeting Gruppe von Frauen, alle unterschiedlich, alle andere Berufe. Alle hören zu und wir lassen uns vom Coach leiten, ermutigen, antreiben und korrigieren. Das tut in einer solchen Pandemie mit Mann in China und Kindern in Schottland und fast kontaktlosem Leben ziemlich gut.

Shanghai-calling.de

Mein Blog war lange ruhig. Im Wasser lässt es sich eben nicht so einfach schreiben, MacBook und Wasser ist eine schlechte Kombination, was ich bitterlich im Dezember erfahren musste. Totalschaden. Das Weinglas war noch voll, denn der Wein schmeckte mir nicht. Er landete in der Tastatur. Meine Lehre daraus: Trinke keine schlechten Weine mehr, das kann teuer, sehr teuer werden!
Und Blätter und Stifte sind im Wasser auch nicht so ideal. Ich habe aber nach langem Überlegen entschieden, den Blog nicht vollkommen einzustellen, sondern immer mal wieder zu schreiben bis ich tatsächlich über Shanghai und das Expatleben wieder berichten kann.

luisegutsche.de

Im Frühjahr habe ich mit meinem Word Press, Woo Commerce und Internetshop Trainer Andreas aus Wiesbaden einen Shop eingerichtet und auch meine Internetseite komplett überarbeitet. Der Weg dorthin war steinig und es rauchte der Kopf. Die Fotografieseite ist erneuert und seitdem schlummert sie leider im World Wide Web. Mein Shop ist nicht total schlecht, Verbesserungspotential ist dennoch gegeben. Optimierung habe ich vor und denke über neue Möglichkeiten nach. Einen Fotokurs für Mamis stricken? Einen Fotoblog scheiben? Oder doch endlich meine Rubrik Postkarten mit Produkten füllen? Möglichkeiten über Möglichkeiten!

Einfach dran bleiben

Als wenn es immer so einfach wäre, einfach dran zu bleiben. Aber ein Versuch ist es wert und ein Ideenbuch liegt schon bereit. Und so versuche ich an die Titelzeile aus dem FAZ Magazin zu denken: Dies Jahr wird besser!

Immerhin …. eine Zwischenbilanz

30. Blog am 15. Mai 2020

Im Bestseller „6 Uhr 41“ von Jean-Philipp Blondel lese ich auf Seite 94: „Immerhin. Ein Wort, das ich aus ganzem Herzen hasse.“ Danach kommen weitere Sätze, die alle mit immerhin beginnen. Die Abneigung des Protagonisten zu dem Wort und zur Mutter des Protagonisten verfestigen sich. Amüsant geschrieben.

Da kam mir in den Sinn, dass ich auch Sätze mit dem Wort „Immerhin …“ beginnen könnte. Nach einigen Tagen draußen in der Maisonne im tiefen Hunsrück und vielem Nachdenken, wie ich meinen nächsten shanghai-calling Blogbeitrag gestalten soll, war immerhin zu meinem ständigen Begleiter geworden und es ist doch erstaunlich wie viele Sätze ich mit immerhin sinnig füllen kann.

Immerhin …

Immerhin bin ich gesund. Ich stehe jeden Tag auf, trinke nach wie vor meinem Pott Kaffee im Bett, wecke gesunde Kinder und bereite ihnen das Frühstück vor.

Immerhin geht es mir gut. Ich habe keinen Grund zu klagen, auch wenn ich mittlerweile gerne wieder in Shanghai wäre, denn der Alltag ist dort überwiegend zurück.

Immerhin kann ich mich frei bewegen, da wo ich bin. Wir sind im tiefsten Hunsrück, überall Wald um uns herum, Natur pur. Was gibt es Schöneres in dieser verrückten Coronazeit?

Immerhin bin ich nicht allein, mein Mann ist da. Er hat vor Ostern den großen Wunsch geäußert, uns alle zu sehen mit der Konsequenz nach der Rückkehr in eine ungemütliche 2 wöchige, von der Regierung streng kontrollierte, Quarantäne in ein Hotel zu müssen. Eine Rückkehr ist seit Ostern nicht mehr möglich, denn die Chinesische Regierung hat die Grenzen für Ausländer geschlossen. Mittlerweile versucht die Außenhandelskammer in einer groß angelegten Aktion, deutsche Führungskräfte mit einer Lufthansa Charter Maschine zurück nach China zu holen. Ob er das Glück hat, in dem Flieger zu sitzen? Die Maschine scheint zu 300 % gebucht zu sein und das Los soll am Ende entscheiden. Wir bleibe gespannt. Wenn diese Maschine nicht klappt, dann wird wes vielleicht eine weitere geben.

Immerhin haben wir keine Existenzsorgen. Vielen Menschen geht es schlecht und ich versuche, anderen zu helfen, sei es mit einem Anruf, sei es mit einem gekauften Gutschein, sei es mit einem geschenktem Essen, sei es mit einem gefüllten Umschlag.

Immerhin sind meine Kinder bei mir und nicht mehr in Schottland. Das wäre fast schief gegangen und nur mit toller Hilfe habe ich sie in die Arme nehmen können. Sie sind nun homeschooling Schüler, wie so viele auch. Das Internat gibt sich sehr viel Mühe, den Videounterricht so interessant und gut wie möglich zu gestalten und damit auch die Motivation der Kinder, daran aktiv teilzunehmen. Bisher läuft es prima. Mit Challenges sollen die Kinder zum Beispiel Kochen, Videos drehen, Kinoplakate nachstellen und immer gibt es Punkte oder kleine Auszeichnungen. Total gut!

Immerhin komme ich zu Dingen, die ich sonst nicht mache. Ich rufe alte Freunde an, räume meinen Mac auf, habe an einer Schreibchallenge teilgenommen, erweitere mein Wissen in der Bildbearbeitung und habe am Sonntag meine vollkommen überarbeitete Fotografieseite online gestellt, samt Shop. Wer Lust hat zu schauen – hier der LINK. Für mich ein Meilenstein.

Immerhin träume ich nun von guten Geschäften und neuen Kunden. Das fühlt sich gut an.

Immerhin lerne ich, mich besser zu organisieren. Alle zu Hause bedeutet, daß der Kühlschrank gefüllt, das Essen gekocht, der Haushalt gemacht sein muss. Die schulische Unterstützung für die Kinder darf nicht zu kurz kommen, auch wenn die beiden großen dies nicht mehr brauchen. Und dazu kommt noch das Bloggen und Fotografieren. Da hilft nur ein guter Plan. Mal läuft´s, mal läuft´s nicht.

Immerhin habe ich keine email – Leichen im Eingangskörbchen mehr. Ein gutes Gefühl.

Immerhin mache ich viel Sport. Es könnte natürlich mehr sein, aber dienstags und donnerstags haben wir eine feste Verabredung mit Trainer Sven und das sind 2 Stunden Zirkeltraining und Bewegung pur. Danach tut alles weh, aber das Gefühl ist gut!

Immerhin bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Glück auch ohne Materielles funktioniert.

Immerhin kann ich zunehmend über mich lachen, habe mehr Zeit zur Reflexion.

Immerhin mache ich mich nicht mehr verrückt, wann es zurück nach Shanghai geht. Wir haben entschieden, dass die Zwillinge mit uns zurück kommen und nicht schon jetzt in eine Boarding School nach Schottland zu den großen beiden Geschwistern gehen. So bin ich noch mindestens ein Jahr Schulmutti, der Konfirmationsunterricht kann wie Anfang des Jahres geplant im September losgehen.

Immerhin habe ich noch mehr Expatfrauen online kennengelernt, die auch bloggen. Der Austausch gerade jetzt in der für alle schwierigen Zeit empfinde ich als große Bereicherung.

Immerhin hat mein Mann nach 6 Wochen meinen verloren geglaubten Reisepass mit gültigen Visum und permanenter Aufenthaltsgenehmigung in meinem Wintermantel wiedergefunden. Den Pass zu verlieren wäre der GAU überhaupt gewesen. Männer können bei lebenswichtigen Dokumenten doch besser suchen als Frauen. Danke Schatz!

Immerhin glaube ich, daß unsere Gesellschaft durch Corona wieder enger zusammenrückt und jeder, wer kann, solidarischer und hilfsbereiter den Sorgenvollen gegenüber tritt.

Immerhin habe ich lange nicht mehr so intensiv die Natur erwachen sehen wie in den letzten Wochen. Da ich seit Ende Januar bis auf 5 Tage im gleichen Bett schlafe, habe ich den Azaleen und den Rhododendren beim Wachsen zuschauen können.

Immerhin habe ich eine junge Mutter beraten, die bald mit Mann und zwei kleinen Kindern nach Shanghai entsendet wird. Sie hatte so viele Fragen und ich glaube, ich konnte ihr helfen.

Noch viel Paragraphen mehr könnte ich mit Immerhin beginnen, positive wie negative Gedanken spinnen und über die Zukunft schreiben. Diese ist so unsicher, daß ich es sein lasse. Definitiv weiß ich, dass mein kleiner Thailand Urlaubskoffer aus dem Januar Ende August zurück nach Shanghai auf die Reise geht, nicht allein, sondern mit den Zwillingen. Hoffentlich können sie sich dann gut von ihren beiden großen Geschwistern trennen, die sie dann unerwartet so lange gesehen haben und fast 5 Wochen mit ihnen auf eine Schule gegangen sind.

Wie sich die Welt sonst ändert und was auf unsere Gesellschaft zukommt, das können wir jetzt schon erahnen, ich hoffe trotzdem, dass die Prognosen dunkler sind als die Realität.

Welche Sätze könnt ihr mit Immerhin beginnen? Sind sie auch so vielfältig und bunt wie meine? Wenn ihr nicht schreibt, dann könnt ihr trotzdem sage: Immerhin hat Luise mich zum Nachdenken gebracht!

bleibt gesund!

Luise