Heute erschien in meiner lokalen Tageszeitung ein Artikel mit dem Titel: „Ausländer verlassen China“. Über eben diesen Artikel bin ich gestern schon aufmerksam gemacht worden. Er erschien in der WELT und ließ mich mit vielen Gedanken zurück. Der Artikel ist gut, denn er spiegelt genau wieder, was gerade mit den Expats in China passiert. Sie verlassen in Scharen das Land. Verständlich!
Ich habe im März Shanghai nach nur kurzer Wiederaufnahme meiner Expatzeit erneut verlassen. Es sollte nur für die Osterferien sein. Dann kam der wochenlange Shanghai-Lockdown, den wir aus der Ferne in Deutschland erlebt haben. Wir haben mit unseren Freunden in Shanghai gelitten. Mir war irgendwann klar, daß ich nicht mehr zurück nach China gehen werde. Die Gründe liegen auf der Hand. Freiheit!
Shanghai-Calling ist meine erste Blogseite geworden. Ich schreibe hier über das Leben als Expatfrau und Expatmutter seit 2019. Anfangs schrieb ich aus Deutschland und berichtete über die Vorbereitungen für das Expatleben 3.0, dann schrieb ich eine kurze Zeit aus Shanghai bis dann im Januar 2020 Corona in China ausbrach und ich aus Asien mit meiner Familie floh. Fast 700 Tage war ich nicht in Shanghai dank Corona, aber geschrieben habe ich weiter, da ich ja zurück wollte und dies auch im letzten September gemacht habe. Da ich nun nicht mehr in China bin, werde ich meinen schönen Blog über das Leben im Ausland auch nicht mehr weiterführen. Es ist wie es ist. Eine Entscheidung.
Das Expatleben 3.0 haben wir uns als Familie vollkommen anders vorgestellt. Es sollte alles nicht sein und so blicke ich nach vorne, stehe auf und richte mein Krönchen. Ein Kraftakt.
Das Leben geht in der Heimat weiter, bei und mit Familie, Freunden und Bekannten und mit allem, was uns an der Heimat gefällt: die Freiheit, die Natur, der Sport, die Hobbies, die Traditionen und die Menschen. Freude.
Der Blog hat mir die letzten vier Jahre viel Spaß gemacht, ich habe viele unglaublich nette Menschen darüber kennengelernt und ich habe vielen Familien bei ihren ersten Expat Gehversuchen geholfen, habe sie beraten und auch mal Verzweiflungstränen übers Telefon getrocknet. Eine Bereicherung.
Shanghai ist eine pulsierende Stadt, ich habe die tanzenden Paare und Musikanten beobachtet, habe meine Fototouren, meinen Schneider, die Stoffmärkte, den Bund, die French Concession, meinen kleinen Arbeitsplatz im Baker & Spice, den Blick aus unserer Wohnung im 36. Stock, die Begegnungen mit anderen internationalen Familien, die tollen Restaurants und die vielen Fahrradtouren durch die nie schlafende Metropole am Yangtse genossen. Ab ins Erinnerungskästchen.
Allen Expats, die sich jetzt auf den Weg nach China machen, wünsche ich nur das Beste und ich bewundere den Mut und den Optimismus. Good Luck!
Einen Dank an meinen Mann, der mich nimmt, wie ich bin und an meine vier Kinder, die alle eine harte Zeit durchgemacht haben und auf die ich unglaublich stolz bin und die im Leben nicht mehr so viel schocken kann. Xié Xié!
Herzlichst,
Luise
Mein Krieger aus Xi’anGänse im Ganzen zu haben Der Bund Bund und ich Marsmännchen am Flughafen Mao ist überallPause beim Abendspaziergang Blick aus dem 36. StockTradition
Die Rückkehr nach Shanghai nach meiner gezwungenen Abwesenheit durch Corona bedingt ist geglückt. Von September bis Dezember tauchte ich wieder in die Stadt ein. Dann ging es zu den Weihnachtsferien in die Heimat zurück. Hier nun ein kleiner Rückblick auf die Zeit des Reentry to expatlife.
Die Situation
Für diejenigen, die meinen Blog heute zum ersten mal lesen: Mein Mann, meine Zwillingssöhne und ich flohen Ende Januar 2020 aus Thailand vor Covid nach Deutschland und ich bin fast 600 Tage in Deutschland gestrandet. Meine Zwillingssöhne sind erst gar nicht mehr mit mir zurück nach Shanghai, sie gehen nun in Europa auf eine Schule. Mein Mann pendelte mit allen Restriktionen hin und her.
Die Tatsache, dass ich mich seit Rückkehr um meine Kinder hier vor Ort nicht kümmern musste, ließ mich viel freier in der Stadt bewegen, ich musste mich nur um mich und meinen Mann kümmern. Ein neues und so dermaßen ungewohnte Situation, dass wir das erstmal lernen mussten. Plötzlich allein, im 23. Ehejahr, keine Schulevents, keine Unterstützung bei Hausaufgaben, keine Schulbrote. Aber wie vieles im Leben, die Umstellung ging schnell.
Die Abwesenheit von Kindern bedeutet nicht, dass sie nicht omnipräsent sind. Das Kümmern geht immer weiter und ich kann wirklich sagen: Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen. So ziemlich alles ist aus der Ferne lösbar, sofern es nicht um die Gesundheit der Kinder geht und Mama vor Ort bei den Kindern nicht zur Supermom werden muss.
Kindererziehung
Dankbar blicke ich auf fast 20 Jahre Kindererziehung zurück und mir war immer wichtig, dass meine Kinder selbständig werden. Selbständigkeit bedeutet für mich, sich ohne Scheu auf neues Terrain zu begeben und aus bereits gemachten Erfahrungen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn die Entscheidungen doch auch mal falsch sein können. Dabei stossen die Kinder immer wieder an Grenzen, das ist ganz normal. So sind mein Mann und ich hier aus der Ferne eine sichere Bank und dann ergeben sich auch mal SOS Anrufe in der Nacht. Wir leiten und begleiten und geben den Kindern Sicherheit. Ein großes Learning für meinen ältesten Sohn ist nach Jahren sicherer Bubble zu Hause und im Internat, dass die Welt da draussen nicht immer freundlich ist und keiner auf dich wartet. Nach tiefen Tälern kommt der Berg und dann auch die Sonne.
Leben in Shanghai
Das Expatleben nach gut 10 Wochen in China ist ein anders als vor der Pandemie. Es ist deutlich zu spüren, dass viele Expats das Land verlassen haben oder eben nach der spontanen Ausreise im Februar 2020 erst gar nicht zurück gekommen sind. Das habe ich bereits in meinem letzten Blog angemerkt und es hat sich bestätigt. Immer mehr Expats werden zum Jahresende das Land verlassen oder werden zu den Sommerferien 2022 vollkommen entkräftet dem Land den Rücken zukehren.
Gemerkt habe ich das unter anderem in unserem Compound Chat mit 380 Mitglieder. Ganze Wohnungseinrichtungen wurden ständig verschenkt und verkauft. Dies unter dem Motto, das Zeug los zu werden und nicht zu viel Ballast mit zu schleppen. Verabschiedungen und liebevolle Wünsche von denen, die bleiben oder hier wohnen. Emotionale Momente und es wird klar, dass die Menschen sich näher gerückt sind auf eine sehr emphatische Art.
Hilfe unter den Expats
Ein Leben auch in der Ferne ist ohne Freunde oder Bekanntschaften nur halb so schön. Mein Mann hatte sich einer sehr lustigen Sportgruppe angeschlossen, mehrheitlich unkomplizierte Briten. Diese habe ich im September direkt kennengelernt und in mein Herz geschlossen und mir war klar, sie hatten sich um meinen Mann in meiner Abwesenheit gut gekümmert. Auch haben seine Kollegen ihn vor allem wochenends zu allen kulinarischen Touren mitgenommen. So ist Position in einer Firma am Ende nicht das was wichtig ist, sondern die Zugewandheit untereinander in einer Pandemie, wo alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben und für viele die Familie in der Ferne unerreichbar war und ist.
andere Expatfrauen
Kontakte zu Schulmüttern habe ich nicht auffrischen können, aber eine handvoll anderer Expatfrauen waren ausreichend, damit ich gemeinsame Touren schnell verabredet habe.
Und nichts ist schöner als mit Si-Young die Leidenschaft für Stoffe zu teilen und ununterbrochen auf Materialjagd zu gehen und mit dem Schneider neue Blusen aus schönster Seide zu kreieren. Ich bin nun stolze Besitzerin eine Cashmere Marlene Dietrich Hose und habe den coolsten Laden für Stickereien entdeckt. Wenn ich schon so viele Leidenschaften hätte, würde ich glatt Seidenblusen nach Maß nach Deutschland exportieren. Eine Bereicherung und dies ist nun wirklich nur in China möglich.
Und dann hatte ich da noch Alexandra, mit der ich immer im losen Kontakt während meiner Zeit in Deutschland geblieben war. Sightseeing mit der Kamera! Da trafen wir zwei uns und Gesprächsstoff ging uns nie aus und Ideen für weiteres Eintauchen in die chinesische Kultur und dunkle Ecken von Shanghai auch nicht. Eine Bereicherung für mich und ich bin beeindruckt von ihr. Sie hat mit Nicole während der Pandemie ein Buch geschrieben: 111 Orte in Shanghai die man gesehen haben muss. Ich habe es gerade in der Quarantäne verschlungen, in einem nächsten Blogbeitrag stelle ich es vor.
Und dann sind da noch Andrea und Pavol, Slowaken, die zuvor in Moskau gelebt haben. Profi-Expats. Sie haben auch eine unglaubliche China-Corona-Odyssee hinter sich. Die Sehnsucht nach Normalität ist ihnen bei jedem Treffen aus ihren Gesichtern zu lesen. Sie sind einfach ganz feine Menschen, nach kurzer Zeit durfte ich sie für mich als gute Freunde bezeichnen. Sie teilen die Liebe zu gutem Essen und für schöne Reisen und dies haben wir in den drei Monaten ausgiebig gemacht, auch wenn einige Reisen durch Coronarestriktionen gestrichen werden mussten. Eine Bereicherung fürs Leben.
Und dann ist da natürlich noch mein Partner, Ehemann, Freund, Zentrum, Kompass, Vater meiner Kinder, Korrektiv und Teamplayer. Das Ziehen in die gleiche Richtung ist während echt steinigen Zeiten das Rezept dafür, dass auch eine gewisse Leichtigkeit immer wieder da ist. Wunderschöne Fahrradtouren haben wir an den Wochenenden unternommen, Yunnan für uns entdeckt, die Wohnung verschönert, den Schneider gemeinsam auf Trab gehalten, unzählige Abende in Restaurants verbracht, Kunst erworben, Ausstellungen besucht, das Dickicht eines Systems gemeinsam ertragen, die Kinder auf ihrem Weg aus der Ferne beraten, ermutigt und gelobt.
Und dann bin ich natürlich meiner großen Leidenschaft nachgegangen: Die Fotografie. Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Nachfolgend ein paar Eindrücke, die ich entweder bewusst gesucht habe oder die ich auf meinen Fahrradtouren aufgegriffen habe:
Der Mop – ein KultobjektDer Longhua Tempel – Geschichte puralles muss gut bewacht seinHupen im Straßenverkehr verboten! Kartenspiel – das lieben die Chinesen!Wohnen drinnen und draussen3-2-1-meins!nachts werden die Straßen neu begrünt. Skyline vom Suzhou Creek3-2-1-meins! 100 Jahre kommunistische Partei – überall sichtbaryellow bikes – überall in der Stadt erhältlichklein, aber hier gibt’s allesjedem seine Pauseder fliegende KorbflechterWaschtag – unübersehbarhier gibts Huhn nur im Ganzendie winkende Katze – ein Muss!mein Tomatenverkäufer mit der roten Jackedie Vogelkäfige – sie sind manchmal noch zu sehenChinesen fotografieren gerne im Pulkein bisschen Shanghai von mir gesehen
Es war eine unbeschwerte Zeit in dieser Megametropole, die voller Gegensätze und Kuriositäten ist, die weltoffen sein möchte, aber in der Pandemie sich nicht weltoffen zeigt. Wann sich die vielen Märkte und Sehenswürdigkeiten sich mit Touristen wieder füllen, internationale Künstler und Orchester wieder nach China reisen können, das lässt sich nur erahnen. Mein Mann und ich werden dies wohl nicht mehr erleben und unsere Kinder werden uns wohl nicht mehr hier besuchen können. Irgendwann endet eine Entsendung.
Weihnachten nach Hause zu den Kindern
Am 10. Dezember bin ich mit meinem Mann mit der Lufthansa vom Internationalen Flughafen Shanghai-Pudong heim. Die eigene heimische Fluggesellschaft zu betreten, macht nach Jahren im Ausland zu leben schon ein Gefühl von: Gleich bin ich da. Schön. Die Vorfreude, bald unsere Kindern nach 3 1/2 Monaten zu sehen war uns ins Gesicht geschrieben.
Am Schalter standen viele europäische Familien nicht nur mit Reisegepäck, sondern ganz offensichtlich mit Ausreisegepäck. Koffer über Koffer. Ich sah einen kleinen Jungen, der seinen eigenen Rollkoffer hinter sich her zog. Daran hing unter dem Griff ein zerknittertes Schlafkissen. Es sah aus wie das Lieblingskissen, das überall mit hin reist. Und ich sah seinen Fahrradhelm links daneben baumeln. Aus seinem Rucksack guckte ein Kuscheltier. Es war klar, hier zieht jemand um. Um ihn herum die Eltern mit den Geschwistern und jeder Menge Koffer. Sah ich Erleichterung in ihrem Augen? War es Flucht vor den Restriktionen oder war es das pandemieunabhängige Ende der Entsendung und des Chinaaufenthaltes? Ich weiss es nicht.
Wir freuten uns mit jeder zwei großen Koffern voller Weihnachtgeschenke auf Heimat und die Kinder. Im Koffer waren so einige Unikate, die ich habe anfertigen lassen, von denen mein Mann keine Ahnung hatte und die Kinder sowieso nicht. Das Wiedersehen war ein Genuss, Weihnachten wie immer festlich, besinnlich und schön. Die Unikate ein Volltreffer.
Zurück nach Shanghai
Auf dem Rückflug nach China Anfang Januar war der leere Platz im Koffer mit jeder Menge Fourage gefüllt, damit die 2 Wochen Hotelquarantäne nicht so freudlos werden. Aus dieser Hotelquarantäne aus schreibe ich gerade. 10 von 14 Tagen sind rum. Danach folgen noch 7 Tage verschärfte Heimquarantäne. Alles zum Zwecke der 0 Covid Politik in China. Nach Hause geht es Dienstag mit deutlich leereren Koffern, die Vorräte gehen zur Neige und der Wunsch nach dem eigenen Bett wächst.
Das ist Expatleben in China zu Zeiten von Corona. Leicht ist anders. Aber jammern nutzt nix! Ich freue mich auf Si-Young, Alexandra, Andrea, Pavol und die vielen anderen Menschen, die mir die Rückkehr nach Shanghai so leicht gemacht haben.
P.s.: Wer mag kann auch gerne meine Beiträge auf Instagram verfolgen. Sucht nach shanghai.calling !
Zwei Monate ist nun mein letzter Blogbeitrag her. Time flies. Zu schreiben hätte ich viel, aber die Muße und die Kraft fehlt, einen schönen Beitrag zu schreiben. Vielleicht habe ich mir auch in den letzten Wochen die Zeit nicht nehmen wollen, um über meine Situation zu berichten. Es ist und bleibt eine wirklich schwierige Zeit für mich und für meine Familie.
Ein paar Fakten
Ein paar Fakten gebe ich Euch dennoch bevor ich über etwas Schönes berichte.
wir sind alle gesund !
ich bin immer noch in Deutschland
China hat die Grenzen immer noch geschlossen
mein Visum ist ungültig
ein Zurück ist in weite Ferne gerückt
mein Mann ist 9000 km von mir weg – ein Wiedersehen ungewiss
für unsere Söhne ist das Abenteuer Shanghai beendet – sie bleiben in Europa.
China wird zunehmend kompliziert.
Ab September bin ich allein.
Shanghai is calling … aber ich komme nicht hin.
Aber nun das Schöne:
Vor einigen Wochen habe ich über die WELTFRAUEN Facebook Gruppe Stephanie Cook kennengelernt. Sie ist auch eine Expatfrau und lebt mit ihrem britischen Mann und zwei Töchtern in den USA. Stephanie schreibt nicht nur über das Expatleben, sondern hat vor einiger Zeit eine Podcast Serie begonnen. Sie interviewt Expats über ihr Leben in der Ferne aber auch über das Zurückkommen in die Heimat.
Stephanie hat mich um ein Interview gebeten. Neugierig habe ich zugesagt! Das Interview lief locker flockig über Zoom und wir haben viele Gemeinsamkeiten entdeckt.
Stephanie beeindruckt mich. Ich war sehr gerne ihre Interviewpartnerin und wenn die Zeit für ein Podcast nicht begrenzt wäre, würden wir sicherlich immer noch quatschen.
Hier geht es zum Podcast:
Stephanie Cook von Transcontinental Overload
Ja, es ist lang, aber Expatgeschichten sind auch nicht mal eben erzählt.
Auf ihrer Webseite www.transcontinentaloverload.com könnt ihr noch viele weitere Podcasts hören. Seit Kurzem hat sie auch eine Deutsche Ecke.
Für heute soll es das von mir sein.
Manchmal wünsche ich mir einen Reset Knopf und ich würde ihn zurückdatieren auf den 1. Februar 2020 – den Tag, an dem ich aus Thailand nach Deutschland vor dem Coronavirus geflohen bin und ich damals nicht in den kühnsten Träumen damit gerechnet habe, dass ich am 17. Juli 2020 immer noch in Deutschland hänge. Ich wäre viel lieber zurück nach Shanghai geflogen mit Mann und den Söhnen und wir würden das Expatleben in China in vollen Zügen leben und uns über den Besuch der beiden großen Kinder freuen.
Bleibt gesund!
Luise
Falls ihr meinem Blog folgen wollt dann meldet euch gleich an. Ich würde mich freuen.
Seit 30. Juli bin ich nun zum dritten mal Expatfrau und Expatmutter. Das sind schon vier Monate und die Zeit scheint wie im Flug vergangen zu sein. Fragen schwirren durch den Kopf. Das bleibt nicht aus und so versuche ich dies mal aufs Papier zu bringen. Das hilft ungemein, seinen eigenen Status Quo mal zu formulieren.
Shanghai ist eine besondere Stadt und ich habe mich mit der 26 Millionen Megacity angefreundet. Die Stadt ist groß und die Entfernungen riesig. Der Tag muss gut geplant sein, sonst kann es sein, dass ich im Verkehr stecken bleibe und viel Zeit im Auto verplempere. Die Restaurantwelt ist bunt und vielfältig. Durch Kulturwalks lerne ich die besonderen Ecken der Stadt kennen und die Kunst- und Kulturwelt ist unbegrenzt. Gerade habe ich eine tolle Ausstellung im Shanghai Center of Photography vom deutschen Fotografen Martin Schoeller besucht, eine Inspiration.
Hier kann ich meinen Interessen gut nachkommen, meiner eigentlichen Arbeit nicht. Fotografisch bietet die Stadt viel, jedoch mit einem richtig guten Fotoprojekt konnte ich noch nicht starten. Das kommt noch – im neuen Jahr. Ich bin froh, das Schreiben für mich wiederentdeckt zu haben.
Ankommen ist nicht leicht
Nach 4 Monaten kann ich sagen, dass ich noch nicht richtig angekommen bin, ich gebe mir Mühe. Aus Erfahrung weiß ich, das es Zeit braucht, ich gebe mir noch weitere 6 Monate, dann schaue ich mal wieder nach den Status Quo. Der Alltag wird immer leichter, jedoch bin ich immer noch auf der Suche nach guter Milch und leckerer Joghurt. Die Marmelade und Schokolade wird im Koffer importiert. Der Kühlschrank füllt sich dank Epermarket, ein Onlinesupermarkt für Expats, recht schnell. Die Preise sind gepfeffert, ein Liter Milch kann bis zu 5 € kosten!
Der gute Drahtesel …
Ich versuche so viel wie möglich mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Der Weg zum Mandarin Kurs kenne ich mittlerweile auswendig und die kreuzenden Straßen habe ich bald drauf. Die kleinen Wege ‚um und bei‘ sind auch vertraut, jedoch sind neue Adresse manchmal einfach nicht zu finden, da die Straßen mit so vielen Stichstraßen so lang sind und ich das System mit Hausnummern noch nicht ganz verstanden habe! Zum Glück haben wir einen Fahrer, der mich dann zu den Orten bringt. Viele sind auch einfach zu weit weg, um mal eben mit dem Fahrrad dort hin zu fahren.
Der eiskalte Expatpool
Nach 4 Monaten ist mir wieder bewusst, dass ein Herausbrechen aus der schönen Compfortzone Heimat anstrengend ist, wenn Du alles Gewohnte und alles alltägliche hinter dir lässt und in den eiskalten Expatpool geschmissen wirst. Zum Glück haben wir schon zwei mal das Expatleben in Italien und Mexiko gestartet und mir war klar, was auf mich zukommt. Hier ist es auch eine Chance, aus dem Gewohnten und Alltäglich mal herauszubrechen und alles zu hinterfragen. Auch nicht schlecht!
Wohnen im 36. Stock
Unsere Wohnung befindet sich im 36. Stock. Es ist wie Kino, es gibt immer was zu glotzen und die Stadt von oben zu sehen. Wir haben mit dem Schweden die Wohnung ganz schön eingerichtet, erstmal eine guten Grundausstattung. Mit dieser sind wir nach wie vor happy, eine zweite Verschönerungsrunde kommt nach Weihnachten, dann werde ich sicher schöne Teppiche und Chinesische Möbel mit den Schweden mischen. So langsam kenne ich tolle Geschäfte, wo ich dies tun kann dank dem Schwarmwissen so vieler internationaler Chatgruppen, zu denen ich schnell eingeladen wurde. Gemütlich ist sie dennoch, gemütlicher kann sie werden.
Kinder first
Als Mutter habe ich meine Wünsche erstmal hinten angestellt. Wichtiger sind die Kinder, die ja ohne ein Mitspracherecht nach Shanghai mitgegangen sind. Die Wahl der Britischen Schule war für uns die Beste, dennoch bucht man die ‚Katze im Sack‘. Eine Gratwanderung. Nach vier Monaten sind unsere Zwillinge zufriedene Schüler, die gerne in die Schule früh morgens gehen. Sie haben gute Noten und es scheint, dass das Englisch sprechen ihnen keine großen Schwierigkeiten mehr bereitet. Sozialen Anschluss haben beide auch gefunden, ein Segen. Beider Freunde habe ich gern um mich herum und ich versuche, sie so häufig wie möglich zu uns einzuladen und dann gibt es Pfannekuchenschlacht und deutsche Bratwürstchen.
Heimat – Familie – Freunde
Wer seine Heimat liebt, vermisst sie nach einer Zeit. Ja, ich vermisse den Hunsrücker Wald, die Ingelheimer Weinberge, meinen Hund, das Schnitzel, die Fleischwurst, die Haribo Lakritzschnecken und eine richtig gute Apfelsaftschorle. Und -Ja- ich vermisse die engen Freunde und die Familie, die zwar auch nicht vor Ort in Ingelheim leben, aber ich konnte sie immer anrufen wenn ich das Bedürfnis hatte und ich konnte zu ihnen fahren. Das geht von Shanghai mit einer anderen Zeitzone und 8000 km Entfernung nicht. Im Ausland wird das Bewusstsein dafür sensibilisiert, wie wichtig im Leben die Familie und die Freunde sind.
Mandarin – ein noch gespaltenes Verhältnis
Ich habe durch unsere Auslandsjahre bereits Italienisch und Spanisch gelernt, das hat eigentlich gut geklappt und ich habe mich nach 4 Monaten einigermassen verständigen können. Mit Mandarin verhält es sich anders. Ich habe den Zugang zur Sprache noch nicht gefunden und ich bin weit weg davon, im Café ohne Schwierigkeiten, etwas zu bestellen. Es ist ein großer Zeitaufwand, die Aussprache zu können und die Vokabeln zu bimsen. Dazu bin ich noch nicht bereit und so darf ich mich auch nicht wundern, dass es trotz einfacher Grammatik bisher kümmerlich ist. Kann es auch am fortgeschrittenen Alter liegen?!? Darüber denke ich jetzt mal nicht weiter nach … Aber, dank meiner Lehrerin Nadia gebe ich nicht auf!
Kulinarik und Gemütlichkeit
Die Restaurantwelt ist in Shanghai riesig groß, ein Eldorado fast. Wir haben zwei wahnsinnig gute Franzosen entdeckt, einen tollen Italiener um die Ecke und den besten Mexikaner ausserhalb Mexikos. Das chinesische Essen ist nicht so unbedingt unser Ding, aber auch hier gibt es viele gute, aber es ist nicht immer unsere erste Wahl beim Ausgehen mit den Kindern. Das Ändert sich vielleicht auch mit der Zeit. Nach ein paar Wochen habe ich ein Lieblingsplatz ausserhalb der Wohnung gefunden. Bei unserem Bäcker Baker & Spice in der Anfu Lu habe ich einen großen Refektoriumstisch entdeckt. Links und rechts sind lange Sitzbänke. Daran sitzen mehrheitlich Expats und arbeiten, im Hintergrund immer nette Musik und ein emsiges Treiben. Hier kann ich wunderbar für ein paar Stunden sitzen und schreiben, lesen und über ein erstes Fotoprojekt nachdenken. Hier komme ich besser zur Ruhe als im Apartment, wo doch immer Ablenkung droht!
Expat-Loch nach 4 Monaten?
Carolin Billiter von Culture2go.art hat in ihrem letzten Blogbeitrag über das Expatloch geschrieben, das nach 3 Monaten und auch nach 7 Monaten auftreten kann. Bin ich nun in einem Expatloch? Nein, ich bin es nicht. Ich würde es anders beschreiben. Nach 3-4 Monaten stellt sich eine Vertrautheit zu Land und Leuten ein. Die erste Zeit des Erschöpftseins und des intensiven Lernens ist vorüber. Endlich! Jetzt beginnt die Zeit, die Dinge auf ‚Seite zwei‘ anzupacken und noch ein bisschen mehr aus der Compfortzone zu kommen.
Ehe im Ausland
Ich habe in einem meiner ersten Blogbeiträgen über die Ehemodelle geschrieben. Die Expatehe ist eine besondere Ehe und sie ist ein fragiles Stück. Ehe im Ausland ist ein Hören von Zwischentönen und ein gemeinsamens Ziehen an einem dicken, rutschigen Tau. Beim Abrutschen muss mein Mann mich auffangen. Er hat mehr Kraft, das Tau zu greifen, manchmal kommt er vom Kompass ab, weil er in die falsche Richtig steuert. Da springe ich mit Leidenschaft herbei und entfalte Supermom Kräfte. So sind wir ein Team, wir gleichen uns aus, sorgen uns umeinander. Es klappt gut. Selbstverständlich ist dies alles nicht!
All in all …
Ja, ich würde immer wieder ins Ausland mit meinem Mann gehen gehen, das Leben in der Ferne ist kein Leichtes, ich habe nur zwei von vier Kindern um mich, mein Leben ist anders, ein Golfplatz weit weg, Kunden weit weg, aber ich bin vollkommen davon überzeugt, wenn wir unser eingeschlagenen Weg so bedächtig weitergehen, dann werden wir ein Leben lang von dieser Zeit zehren und unsere Kinder werden zu Weltkindern, die sich mit den Kulturen der Welt anfreunden und dennoch immer wieder gerne nach Ingelheim kommen, wo sie ihre Kindheit verbracht haben.
Einen schönen ersten Advent Euch allen in allen Teilen der Welt und in der Heimat.