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Nach 591 Tagen wieder in meiner Wahlheimat

36. Bloggeitrag am 28. September 2021

Nach 591 Tagen schreibe ich einen Shanghai-Calling Blog wieder aus meiner Wahlheimat Shanghai. Ich sitze in meinen Lieblingscafé Baker & Spice in der Anfu Lu, nicht weit von unserem Apartment entfernt. Das Café ist beliebt bei Expats, denn hier im Stadtteil der ehemaligen French Concession leben viele Expats. An einem langen Tisch sitze ich, viele Laptops sind geöffnet und es herrscht Arbeitsatmosphäre. Das finde ich gut. Weit und breit sind aber keine Expats oder ausländische Gesichter zu sehen. Ein ungewohntes Bild. Ist es nur Zufall oder liegt es an der Pandemie? Ich bin unsicher.

Hinter mir liegt eine lange, durstige und steinige Strecke, die geprägt ist von Trennung, die durch die Pandemie ausgelöst wurde und die ich niemandem wünsche. Wir als sechsköpfige Familie haben uns da durchgekämpft und heute kann ich sagen, daß es allen gut geht.
Alle Kinder sind in Europa und sind happy dort, wo sie sind. Kinder happy, Eltern happy. So ist es doch.
Mein Mann und ich starten also in das Abenteuer, das da heisst: Gemeinsam zurück nach Shanghai. Nach fast 600 Tagen.
Gerne berichte ich nun, wie es so läuft, nach China einzureisen. Es ist ein langes hin und her bei den Behörden in Shanghai, wie unsere 14tägige Quarantäne aussehen soll. Schnell ist klar, dass wir eine komfortable Quarantäne gemeinsam in unserem Apartment nicht machen können. Das Hin und Her, ob es eine gemeinsame Quarantäne in einem Hotel werden kann, zehrt an den Kräften, normalerweise ist es nicht gestattet. Wir bekommen grünes Licht und landen in einer Suite eines alten Hotels, das von der chin. Regierung komplett zu einem Quarantänehotel umfunktioniert wurde.

Der Weg bis ins Hotel

Zur Zeit fliegt die Lufthansa 2 mal in der Woche nach Shanghai, mehr lässt die chin. Regierung nicht zu. Normalerweise fliegt Lufthansa jeden Tag von Frankfurt und von München nach Shanghai. So sind die Plätze im Flieger begehrt für diejenigen, die überhaupt ins Land dürfen. Wer kein gültiges Visum hat muss auf unbestimmte Zeit warten. Diese Hürde nehmen wir galant und sehr zeitig haben wir gebucht. Den weiteren Dokumentenaustausch, der erfragt und erforderlich ist, bekomme ich nur am Rande mit. Es sind unzählige Papierstücke erforderlich, auch wenn die Behörden in China diese alle schon mehrfach unbeglaubigt und beglaubigt, in Original oder in Kopie haben. Sicher ist sicher.
Am Frankfurter Flughafen gibt es ein zertifiziertes Labor für Covid Tests, die von der chin. Regierung akzeptiert ist. Dort lassen wir einen PCR Test und einen Antikörper Bluttest machen. Das Personal dort ist ausserordentlich freundlich und es reicht sogar für ein kleines persönliches Gespräch. Es menschelt, das tut gut und der leitende Arzt dort wünscht uns für unsere Quarantäne in China alles Gute. Nett, einfach nett.

Mit dem Erhalt unserer negativen Testergebnisse laden wir diese und alle anderen notwendigen Dokumente in in einer Art Einreise App hoch und hoffen, dass die Chinesische Botschaft in Frankfurt uns grünes Licht für unsere Einreise erteilen. Spannung bei meinem Mann, denn er weiß, wenn das nicht klappt, haben wir ein echtes Problem. Er hat Kollegen stranden sehen und der Flieger war weg. Ich bin entspannter, hoffe aber insgeheim, dass ich nirgends einen Zahlen- oder Buchstabendreher beim Ausfüllen der App gemacht habe. Warten und dann: Hurra! Es klappt – wir haben die Erlaubnis! Unsere Health Declaration ist akzeptiert. Wir klicken in der Chinesischen ALIPAY App den Healthcode an und füllen dort wieder weitere Daten und Dokumente hoch. Nun brauchen wir den Status Grün. Es klappt bei meinem Mann, er ist da sicher geübter im Ausfüllen. Bei mir klappt es nicht, ich werde nervös, bin genervt, dass ich mir meine Reisepassnummer immer noch nicht merken kann und bin froh, dass ich die nun ruhigere helfende Hand meines Mannes habe. Ich bin überrascht, dass ich nicht entspannt bleibe, aber ich habe Respekt vor dem ganzen System in der Ferne. Ein Aufatmen bei mir, denn auch mein Healthcode ist grün. Ich gehe meine Koffer packen und schaue, dass ich für die kommenden 14 Tage im Hotel genug Bücher habe und lade nochmal ein paar Filme runter. Zwei Koffer sind schnell neben dem Bordkoffer und meiner Handtasche voll. Nix wichtiges für die nächsten 3 Monate darf fehlen.

Am Flughafen Frankfurt

Der Flughafen in Frankfurt ist am Abflugabend immer noch gespenstisch leer und das Einchecken dauert lange, denn nicht nur das Bodenpersonal beim Check in, sondern auch am Gate wollen Dokumente und vor allem den grünen Heathcode sehen. Keiner möchte Probleme mit den chin. Behörden haben. Es dauert alles lange, alle Passagiere sind geduldig. Der Flieger ist angeblich ausgebucht, jedoch um uns herum sind doch einige Plätze frei. Wir glauben, dass nicht alle die notwendigen Dokumente zusammentragen konnten und sie sind wohl am Flughafen gestrandet. Ich mache es mir in einem großen Sitz neben meinem Mann bequem, ziehe noch die Schuhe aus und falle ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln in einen komatischen Tiefschlaf. Nach 10 Stunden wache ich auf und bin längst im Himmel über China.

Am Flughafen Shanghai

Der Flughafen in Shanghai ist eigentlich immer voll oder übervoll, die internationalen Maschinen landen zeitgleich, so dass ein Gedränge herrscht, vor allem bei der Gepäckkontrolle. Es ist anders, es ist alles gespenstisch anders. Ich versuche nicht zu glotzen, sondern mich mit meinem Mann in die Schlange anzustellen, ein Dokument muss ausgefüllt werden, ich bin mir nicht sicher wofür, aber wir machen es wie alle anderen. Überall laufen Marsmännchen herum. sie sind im kompletter Schutzmontur, ein möglicher importierter Virus aus dem Ausland hat hier keine Chance. Wir haben den ersten Temperaturcheck und dann kommt der Scan mit dem grünen Healthcode. Wir fallen beide krachend durch.

Er hat gerade die 24 Stunden Gültigkeit verloren. Wir werden zur Seite geschoben, keiner spricht hier Englisch, mein Mann sagt: Schatz, nicht aufregen, wir müssen alles nochmal ausfüllen. Mir wird spontan echt heiss und ich tippe nervös meine Reisepassnummer, meine persönlichen Daten und lade Dokumente hoch. Es klappt wieder nicht und ich habe das Gefühl, dass ich hier gerade gerne mal weg möchte. Ich müsste eigentlich meine Reisepassnummer und meine Visanummer mittlerweile doch echt auswendig kennen, aber das Hirn streikt.

Der komische weiße Zettel in meiner Hand wird feucht. Plötzlich blinkt mich der grüne Healthcode an. Klasse. Es geht weiter durch den Parcours zur Passkontrolle. Der ausgefüllte Einreisezettel aus dem Flieger ist veraltet, wir müssen ihn nochmal ausfüllen. Augenrollen, aber nützt ja nix. Wieder Passnummer, wieder Visanummer, wieder nachschauen. Der Gesichtscheck klappt, ich bekomme den Einreisestempel China, Shanghai. Welcome back. Nach 577 Tagen. Hurra, ich küsse meinen Mann, setze aber schnell die FFP2 Maske wieder auf und folge ihm im weiteren Parcours. Laufen. Laufen. Brav sein. Wir landen beim PCR Test. Hals und Nase. Es tut weh. Die Wattestäbchen verschwinden tief in Mund und Nase.
Der Parcours führt uns zu den Koffern, alle da. Prima. Ab hier bekommen wir VIP Betreuung – ein Danke an das Team meines Mannes in Shanghai. Mr. Felix and wife werden schon erwartet. Panik steigt auf, denn unser Pass wird uns weggenommen, der weisse Zettel ist auch weg. Wir verstehen, dass wir das überlebenswichstigste Stück im Bus zum Quarantänehotel wiederbekommen werden. Ach, wird schon, denke ich. Ist ja VIP Betreuung. Den offiziellen Parcours verlassen wir und lernen einen schwedischen Geschäftsmann kenne, der auch VIP gebucht bekommen hat.

Wir drei landen in einem kleinen Bus, zwei Marsmännchen vorne. Zwischen uns eine dicke Folie zum Schutz vor Viren. Mit dem Schweden kommen wir sehr nett ins Gespräch, er hat die 14 Tage Quarantäne allein vor sich. Ich bin froh, dass ich gleich nicht allein weggesperrt werde.

Die Männer tauschen die WeChat Kontakte aus, wir vereinbaren, nach der Quarantäne ein Bier zusammen zu trinken. Positiv denken!

Das Quarantänehotel in Pudong

Es dauert nochmal eine lange Zeit bis wir im Wyndham Hotel durch den Lieferanteneingang einchecken. Hier empfängt uns ein freundliches weibliches Marsmännchen und sie fragt alles Wichtige nochmal ab und auch hier sind Passnummer und Visanummer von Nöten in einem weiteren digitalen Dokument. Wir geben fleissig alles wieder ein, auch wenn alle Daten längst bekannt sind. Frei nach dem Motto: Vertraue ist gut, Kontrolle ist besser.
Wie zu erwarten, kommt kein freundlicher Page und bringt unsere Koffer ins Zimmer, wir schnappen uns einen großen Lastenwagen, laden alle 6 Koffer drauf und folgen einem anderen Marsmännchen zum Aufzug und verabschieden uns vom Schweden. Der 33. Stock ist nun für 14 Tage unsere Bleibe, Zimmer 3301. Das Tischchen vor der Tür weist mich schon jetzt daraufhin, dass wir hier jetzt 3 mal am Tag das abgestellte Essen schnell ins Zimmer uns schnappen werden. Das Marsmännchen gibt uns noch eine Tüte mit Klorollen, eine Packung mit Chlortabletten und eine Rolle Mülltüten. Wahrscheinlich sagt er so was ähnliches wie alles Gute oder so, sein Chinesisch verstehen wir natürlich nicht. Er scheint zu lächeln.

Zimmer 3301

Nun sind wir also in unserem Zimmer, eine kleine Suite. Es ist in Ordnung. Wir richten uns irgendwie ein, jeder sucht sich eine kleine Ecke. Wir haben beide keinen Impuls, die Koffer auszupacken. Es soll ja nicht heimisch werden. Der Blick aus dem Panoramafenster ist cool.

Wir gucken auf den Huangpu, ein Fluss, der das Stadtzentrum teilt. Die Yangpu Bridge haben wir voll im Blick, wenn wir die Ecke von der Shanghai Skyline erhaschen wollen. Tolle Architektur und ich denke an die Golden Gate Bridge.

Aber mit Tor zur Freiheit hat das hier gerade nichts zu tun. In den kommenden 14 Tagen werden wir den Fluss lieben lernen, denn hier ist viel zu glotzen, Schiffe von links und rechts, Schlepper, die Gezeiten. Das Zählen der Schiffe macht Spaß. Ich denke an die Wimmelbücher für Kinder von Ali Mitgutsch, auf den Bildern war so viel zu entdecken und immer wieder was neues.
Es war herrlich, denn manchmal haben wir gemeinsam geglotzt und uns gefragt, ob der eine orangene Kran da unten gestern da auch schon war. Wir lachen. Wahrgenommen hatten wir nur den verrosteten braunen. Der Fluss hat uns viel Gesprächsstoff gegeben.

Und wenn alle Schiffe mal gerade uninteressant waren, habe ich die Anzahl der vorbeifahrenden Linienbusse gezählt. Es sind viele, sehr sehr viele. Irgendwie vermisse ich ein bisschen den Blick.

14 Tage stereotypes Abhocken

Das Essen war schrecklich. Egal ob Chinesisches Essen oder die Continental Food Variante. Im Koffer waren ein paar deutsche Leckereien wie Schokolade, Lakritze oder Salziges und am Duty Free habe ich mir Piccolo Champagner Flaschen gegönnt. Ein bisschen dekadent, aber es musste sein.

Zum Glück konnte die Assistentin von meinem Mann das ein oder andere Abgepackte uns schicken und zwischendrin – gut versteckt – waren ein paar Deutsche Gebräue in Dosen. Ein Highlight am Abend.
Jeden Tag wurde 2 mal unsere Temperatur gemessen, so um 9 Uhr und so um 15 Uhr. Dazu kamen 3 PCR Test an Tag 4, an Tag 7 und an Tag 13. Jedes Mal haben die Marsmännchen freundlich hello gesagt und unsere Temperatur war welly good.

Mein Mann hat natürlich gearbeitet, immer wieder lokale und internationale Telefonkonferenzen und Interviews mit potentiellen neuen Mitarbeitern geführt. Oft bin ich gar nicht drumrum gekommen, zuzuhören. Meine Einschätzungen zu Sympathie und Antipathie waren immer richtig. Ein 14 tägiges kostenloses Feedback von der Ehefrau eines CEO gibt es sicher auch selten.
Ich habe mehrheitlich mich mit meiner nun kommenden Zeit in Shanghai befasst, habe viele tolle Bücher und Zeitschriften gelesen, erstaunlich wenig Netflix angemacht.


Die Laune war bei uns beiden oft ok, aber manchmal auch einfach so dumpf. Da half bei mir nicht social media als Ablenkung, sondern Lesen, meine Internetseiten an einigen Stellen verbessern und Bewegung. Ich bin die werdende Queen am Hulahoop Himmel, sagt mein Mann!
Neue Kleidung täglich war so überflüssig wie Schuhe anzuiehen. Ein Pyjama reicht auch aus, aber eben nicht immer. Manchmal hatte ich das Lotterige satt und habe mich richtig ordentlich angezogen, Duft und einen schönen Lippenstift inbegriffen. Ich war quasi ready to go. Nur halt nicht sofort! Aber sich nett zurecht zu machen ist doch auch was schönes. Schatz, du siehst zauberhaft aus. Das ist doch ein schönes Kompliment in einer Zwangsquarantäne…

7 Tage Home Monitoring

Nach 14 Tagen wurden wir entlassen. Es waren wirklich 14 Tage auf die Stunde genau, denn am 2. September wurden wir um 15 Uhr am Flughafen von Shanghai-Pudong registrierst und am 16. September 15 Uhr endete somit die Quarantäne. Mit dem Auschecken waren wir um 14:53 Uhr fertig und wir haben am Hintereingang gestanden, an dem wir eben 14 Tage vorher ankamen. Please wait 7 minutes hörten wir. Korrekt ist korrekt. Unser Fahrer Neo hat uns freudestrahlend im Empfang genommen, das Einatmen von frischer, warmer, stickiger, leicht stinkender Luft war ein Genuß. 14 Tage ohne frische Luft, da nimmst du alles was kommt.


Organisieren können die Chinesen gut, denn Ogaa vom Health Monitoring Team unseres Stadtteils hatte schon mit meinem Mann, der Assistentin von ihm und mir eine WeChat Gruppe gebildet. Ab jetzt hat Ogaa uns überwacht. Jeden Tag haben wir zwei mal unsere Temperatur per Videodreh ihr übermittelt. Immer kam ein ok.
Da wir noch nicht genügend PCR Test über uns haben ergehen lassen, sind wir an Tag 16 und Tag 21 nach Einreise nochmal zum Testen ins Stadtteil Covid Pfüfzentrum einbeordert worden. Die Assistentin von Meinem Mann hat das alles wunderbar für uns organisiert. Ohne sie wäre es sicher ungleich komplizierter geworden. Auch diese negativen Testergebnisse haben wir in der WeChat Gruppe gepostet. Letzten Donnerstag kam dann von Ogaa: Sieben Tage kommunale Gesundheitsüberwachung ist vorbei. Wir drei danken ihr. Nun sind wir Frei!

14 + 7 Tage

14 Tage in ein Hotelzimmer eingesperrt zu werden ist eine meiner komischsten Erfahrung, die ich gemacht habt. Nicht raus zu dürfen, sich nicht frei bewegen zu können und 14 Tage Essen aus Plastikschalen, überwacht zu werden. Ätzend.
Diese 7 Tage Home Monitoring waren hingegen vollkommen in Ordnung. Wir haben uns frei bewegen können, mein Mann ist ins Büro gegangen und ich habe unsere Wahlheimat Shanghai viel radelnd wiederentdeckt und wir haben gutes Essen an ordentlich gedeckten Tischen mit Porzellan, Gläsern, Besteck und Servietten sehr genossen.
Die Zimmer unserer Söhne sind genau so, wie wir sie Ende Januar 2020 für die 8 Tage Ferien in Thailand verlassen habe. Die Schulbücher, Hefte und Stifte liegen bereit und die Fußballschuhe für das nächste Training sauber. Wer hätte damals gedacht, dass wir aus Thailand nach Deutschland vor einem Virus fliehen, der zu diesem Zeitpunkt in Europa noch keine Gefahr darstellte und unsere Söhne ihre Schule in Shanghai nie wieder besuchen werden? Niemand.

Das Leben geht weiter – für mich nun wieder in Shanghai und auch mein Blog Shanghai-Calling erwacht so langsam wieder zum Leben. Schaut vorbei in MEINEM SHANGHAI ABC oder gerne auch bei meinen Buchempfehlungen zu China.

Alles Luise

P.s.: Auf Instagram unter SHANGHAI.CALLING könnt ihr Shanghai und China in Bildern und kleinen Geschichten entdecken.

15 Monate nicht mehr in Shanghai

35. Blog am 29. 4. 2021

Die Situation

In China ist das Leben vollkommen zurück, es ist wohl auch das einzige Land, wo Normalität herrscht. Die Menschen laufen ohne Masken herum, die Kinder gehen ohne Einschränkungen in die Schule und das Arbeitsleben ist wieder komplett zurück. Die Restaurants in Shanghai haben Hochkonjunktur.

Viele Menschen können nicht ins Land, weil sie die falsche Staatsbürgerschaft haben.
Viele Menschen würden gerne nach China geschäftlich reisen, aber wer möchte schon 14 Tage in Quarantäne? Fast alles geht mittlerweile online. Zoom und co sei Dank.

Viele Expats würden gerne endlich das Land verlassen, um mal endlich wieder nach Hause zu fliegen, jedoch ist auch für sie eine Rückkehr nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Ehrlich gesagt, wer will schon gerade nach Deutschland? Aber die Sehnsucht, die Eltern, Großeltern, Geschwister, Kinder, Freunde in die Arme zu nehmen, steigt von Tag zu Tag. Die Durchhalteparolen unter den Expats in Shanghai steigt.

Und ich? Ja, ich möchte endlich mal wieder zurück nach Shanghai. Ich bin nun seit 15 Monaten in Deutschland gestrandet und es ist alles andere als leicht, so lange in einer Art Warteschleife zu hängen und die Situation zu akzeptieren, wie sie nun ist. Corona hat unser Familienleben vollkommen durcheinandergewürfelt und ein Zurück zu dem Status vor Corona wird es leider nicht mehr geben.

Rückblick

Meine jüngeren beiden Zwillingssöhne waren mit uns im Sommer 2019 nach China gegangen – bereit für ein Abenteuer der ganz anderen Art. Wir haben sie in der British International School of Shanghai (BISS) angemeldet. Sie waren dort sehr glücklich und sind endlich mal fröhlich in die Schule gegangen. Nach einigen Monaten hatten beide nette Freunde gefunden und sie waren in ihrer neuen Umgebung gut angekommen. Dann kam Corona und das war der Anfang vom Ende einer Expatzeit zu viert in Shanghai. Wir flohen vor dem Virus nach Deutschland in dem Glauben, dass wir bald zurück kommen. Jedoch hat Corona dies aus vielerlei Gründen nicht zugelassen. Erschöpft von Hoffen auf Rückkehr und Wiederbelebung der Visa seitens der chinesischen Regierung mussten wir die Reißleine ziehen und die Zwillinge in das Internat schicken, wo die beiden älteren Geschwister schon waren. Wahrscheinlich war dies die beste Entscheidung, die mein Mann und ich mit den Kindern zusammen im letzten Jahr treffen konnten. Ich war unendlich traurig, denn mir war klar: Eine Schulmutter war ich ab dieser Entscheidung nicht mehr.

Anfang 2021

Die letzten Monate waren geprägt von Homeschooling im Hunsrück und ein großer Mangel an sozialen Kontakten. Die schottische Schule musste coronabedingt auch auf Homeschooling – wie so viele andere Schule auch – zurückgreifen. Die Schule hat eine unglaublich gute Homeschooling Zeit den Kindern geboten. Es war für alle nicht leicht und die soziale Isolation hat irgendwann Überhand genommen. Nun sind sie seit Ostern zurück in der Schule und es läuft. Mutti bestellt kräftig beim großen Online Händler und ersetzt zu kleine Schuhe und zu kurz gewordenen Hosen und auch ein Paket Süssigkeiten zur Aufmunterung darf nicht fehlen. Eine erzwungene Verlängerung der Quarantäne bei meinem ältesten Sohn brachte dann Monopoly Deluxe in die Schule und ein verrückter Freund aus Ingelheim schickte den unglücklichen volljährigen Jungs eine Kiste Deutsches Bier. Ein Highlight auch für die sehr großzügige handelnden Lehrer.

Hoffen auf den Herbst

Ich hätte nach Ostern einfach zurück zu meinem Mann nach Shanghai fliegen können, denn die Kinder waren ja jetzt zurück in der Schule. Aber emotional schaffe ich das gerade nicht, denn während Corona sind so viel Variablen, dass ich doch lieber nur 1000 km und eine Stunde Zeitverschiebung als 9000km und 7 Stunden Zeitverschiebung von ihnen entfernt sein möchte. Es hat sich gezeigt, dass ich doch mehr Anrufe von allen bekomme und ich hin und wieder auch Tränen und Traurigkeit abfedern kann zu Zeiten, in denen ich in Shanghai schlafen würde. Mutti wird nun anders gebraucht.
Mein Mann ist seit März zurück in China und wir werden uns wieder mehr als vier Monate nicht sehen. Mir fehlt seine Anwesenheit, sein Rat, seine Stärke und einfach der Alltag mit ihm.
Meine Hoffnung ist, dass ich nach den Sommerferien mit meinem Mann zusammen wieder nach Shanghai bis Weihnachten fliegen kann und an die ersten Monate des Expatslebens in China anknüpfen kann. Dies bedeutet allerdings, dass ich auch neue Kontakte finden muss, denn viele Kontakte sind eingeschlafen oder Expats haben turnusgemäß das Land verlassen. Es steht also wieder ein kleiner Neuanfang an. Chinesisch werden ich sicherlich aber nicht mehr lernen, denn auch da wäre ein kompletter Neuanfang notwendig.

Gefragte Beratung

Ich könnte mit meinem Wissen über das Expatleben auch eine Beratungsstelle aufmachen. In den letzten 15 Monaten habe ich sicherlich 6 Familien bei der Frage geholfen, ob sie den Schritt nach China wagen sollen oder nicht. Bei den ersten Recherchen im Netz sind die Familien oder mehrheitlich die Frauen auf meinen Shanghai-calling Blog aufmerksam geworden – das ist schön zu erleben. Die Themen waren immer ähnlich: Corona, Überwachung, Luftverschmutzung, Kinder, Schulen. Expatleben ist aber so viel mehr und ich habe ihnen immer wieder davon vorgeschwärmt, wie bereichernd das Leben im Ausland ist.
Nächste Woche habe ich ein Zoom mit einem Ehepaar, das gerne meine Erfahrungen gemeinsam sich anhören möchten, nicht nur über China, sondern über das Leben als Expats im Allgemeinen. Davon habe ich genug Erfahrung, denn das Leben in Italien und Mexiko habe ich in schönster Erinnerung. Ich bin gespannt und ich helfe immer gerne. Expats untereinander helfen, den jeder war einmal im Anfangsstadium einer Entscheidung über den Tellerrand zu schauen und seine Compfortzone zu verlassen.

UPCYCLE CARDS

Mein soziales Upcycling Projekt UPCYLCE CARDS hat mich in den letzten Monaten durch eine holprige Zeit getragen. Ich tue Gutes und gehe darin total auf. Mein gestecktes Ziel, 2000 € bis Ostern für meine SOS-Kinderdorfkinder in China, Mexiko und Burundi und auch für die Deutsche Kinderkrebsstiftung zu erwirtschaften, habe ich mehr als geschafft. Ich hatte viele helfende Hände und viele freudige Kunden, die meine Briefumschläge gekauft haben. Aus alten Kalenderblättern habe ich Briefumschläge gestaltet. Kalender habe ich von Privat aber auch von deutschen Kalenderverlagen geschenkt bekommen.

Das Projekt UPCYCLE CARDS sollte eigentlich an Ostern enden, jedoch habe ich entschieden, das Projekt weiter zu führen und mich in die Welt von Social Entrepreneurship zu begeben. Ein neues Feld und für mich bis hierher schon eine Bereicherung.
Liebe Leserschaft, gerne könnt ihr Euch in meinem Shop tummeln, da findet ihr Umschläge mit ganz unterschiedlichen Motiven, alles Unikate, alles Handarbeit: See, Meer, Küche, Blumen, Berge, Autos, Landschaft, Künstler, Städte, Orte, Tiere und vieles mehr. Hier ist der Link – SHOP.
Wer mehr über mein Projekt lesen mag: Hier ist der Link – UPCYCLE CARDS.

Und so sehen die Umschläge aus:

Hilfe kann ich bei meinem Projekt immer gebrauchen in Form von Kontakten, die mich mit Material versorgen (Kleber, Grußkarten, Kalendern, Katalogen, Broschüren), mit Kontakten, die umfangreiche Bestellungen für den eigenen guten Zweck im Unternehmen tätigen möchten oder Kontakten zu anderen Social Entrepreneurs.

UND NUN?

Das Leben geht immer weiter, wer keine Veränderung akzeptieren möchte, der wird es schwer haben. Ich habe in den letzten15 Monaten so viele Veränderungen hinnehmen müssen, dass ich gerade erstmal keine Lust mehr auf einschneidende Veränderungen haben möchte. Das ist zu verstehen, oder?

Bis zum nächsten Update auf Shanghai-Calling.de.

Eure Luise