Heute erschien in meiner lokalen Tageszeitung ein Artikel mit dem Titel: „Ausländer verlassen China“. Über eben diesen Artikel bin ich gestern schon aufmerksam gemacht worden. Er erschien in der WELT und ließ mich mit vielen Gedanken zurück. Der Artikel ist gut, denn er spiegelt genau wieder, was gerade mit den Expats in China passiert. Sie verlassen in Scharen das Land. Verständlich!
Ich habe im März Shanghai nach nur kurzer Wiederaufnahme meiner Expatzeit erneut verlassen. Es sollte nur für die Osterferien sein. Dann kam der wochenlange Shanghai-Lockdown, den wir aus der Ferne in Deutschland erlebt haben. Wir haben mit unseren Freunden in Shanghai gelitten. Mir war irgendwann klar, daß ich nicht mehr zurück nach China gehen werde. Die Gründe liegen auf der Hand. Freiheit!
Shanghai-Calling ist meine erste Blogseite geworden. Ich schreibe hier über das Leben als Expatfrau und Expatmutter seit 2019. Anfangs schrieb ich aus Deutschland und berichtete über die Vorbereitungen für das Expatleben 3.0, dann schrieb ich eine kurze Zeit aus Shanghai bis dann im Januar 2020 Corona in China ausbrach und ich aus Asien mit meiner Familie floh. Fast 700 Tage war ich nicht in Shanghai dank Corona, aber geschrieben habe ich weiter, da ich ja zurück wollte und dies auch im letzten September gemacht habe. Da ich nun nicht mehr in China bin, werde ich meinen schönen Blog über das Leben im Ausland auch nicht mehr weiterführen. Es ist wie es ist. Eine Entscheidung.
Das Expatleben 3.0 haben wir uns als Familie vollkommen anders vorgestellt. Es sollte alles nicht sein und so blicke ich nach vorne, stehe auf und richte mein Krönchen. Ein Kraftakt.
Das Leben geht in der Heimat weiter, bei und mit Familie, Freunden und Bekannten und mit allem, was uns an der Heimat gefällt: die Freiheit, die Natur, der Sport, die Hobbies, die Traditionen und die Menschen. Freude.
Der Blog hat mir die letzten vier Jahre viel Spaß gemacht, ich habe viele unglaublich nette Menschen darüber kennengelernt und ich habe vielen Familien bei ihren ersten Expat Gehversuchen geholfen, habe sie beraten und auch mal Verzweiflungstränen übers Telefon getrocknet. Eine Bereicherung.
Shanghai ist eine pulsierende Stadt, ich habe die tanzenden Paare und Musikanten beobachtet, habe meine Fototouren, meinen Schneider, die Stoffmärkte, den Bund, die French Concession, meinen kleinen Arbeitsplatz im Baker & Spice, den Blick aus unserer Wohnung im 36. Stock, die Begegnungen mit anderen internationalen Familien, die tollen Restaurants und die vielen Fahrradtouren durch die nie schlafende Metropole am Yangtse genossen. Ab ins Erinnerungskästchen.
Allen Expats, die sich jetzt auf den Weg nach China machen, wünsche ich nur das Beste und ich bewundere den Mut und den Optimismus. Good Luck!
Einen Dank an meinen Mann, der mich nimmt, wie ich bin und an meine vier Kinder, die alle eine harte Zeit durchgemacht haben und auf die ich unglaublich stolz bin und die im Leben nicht mehr so viel schocken kann. Xié Xié!
Herzlichst,
Luise
Mein Krieger aus Xi’anGänse im Ganzen zu haben Der Bund Bund und ich Marsmännchen am Flughafen Mao ist überallPause beim Abendspaziergang Blick aus dem 36. StockTradition
Ich war noch nie in meinem Leben 3 Wochen eingesperrt. 2 Wochen in einem Hotel und eine Woche zu Haus. Kein Entkommen. Auch nicht mal eben kurz raus. Es ist eine Erfahrung, die man eigentlich nur macht, wenn Du etwas Schlimmes gemacht hast und das Recht spricht. Jedoch, wenn Du zur Zeit nach China möchtest, ist das die Pflicht, die du erfüllen musst, damit du wieder dort ankommst, wo du als Expat nun einmal gerade lebst.
Olympia in Peking
Zur Zeit bekommt die Welt etwas detaillierter die chinesische Gangart mit, denn es sind Olympische Spiele in Peking und der ein oder andere Athlet oder Funktionär muss sich unverzüglich in ein Quarantäne Hotel bewegen, wenn ein positiver Covid Befund vorliegt. Das ist kein Spaß, denn es ist kein Hotel mit gefüllter Minibar, täglich frischen Handtüchern oder gutem Essen und vor allem für die Sportler ausreichend Möglichkeiten, sich fit zu halten und das Hoffen, bald ins Olympische Geschehen doch noch eintreffen zu können.
Unsere Quarantäne im Hotel
Mein Mann und ich hatten das Glück, dass wir zusammen in ein Quarantäne-hotelzimmer für die 14 Tage gehen konnten. Eine kleine Suite. Alles schon ziemlich abgewohnt. Ein Sofa, zwei Sessel, eine Chaiselongue. Alle haben deutlich bessere Tage gehabt. Der Couchtisch klebt. Überall weiße Ränder vom Desinfektionsspray. Das Zimmer ist eher oberflächlich für den ersten guten Eindruck gesäubert worden. Die Schiebetür zwischen Wohnraum und Schlafzimmer klemmt. Ein Schreibtisch plus Stuhl. Ein Wasserkocher. 3 Dosen Chlortabletten für die Toilettenspülung, zu benutzen bei jedem Besuch des stillen Örtchens. 4 Rollen Klopapier. Ein Stück Seife. Je zwei große und kleine Handtücher. Mülltüten. 3 Pack Papiertaschentücher. Ein Kühlschrank – leer. Fenster können ein bisschen geöffnet werden – Frischluft ahoi. Ein Segen. Der Blick aus den Fenstern im 11. Stock ist trüb, eine große Straßenkreuzung, eine Hochstraße dazu und graue Hochhäuser auf der anderen Straße. Das Bett groß, weisse gebügelte Bettwäsche, die Matratzen laden nicht zum gemütliche Liegen ein, bretthart.
Realer Kontakte nach draussen
Für 2 Wochen waren wir dort eingesperrt, ein Entkommen nicht möglich, auch nicht mal eben über den langen Korridor sprinten, um mal die Beine aus einem Dauerschlafmodus zu bekommen. Jeden Tag für 14 Tage klopft es morgens und abends an der Tür. Ein weisser Marsmensch (genau so wie wir sie gerade bei den Olympiaübertragungen sehen) steht vor uns mit dem elektronischen Temperaturmesser. Volle Montur. Wir hechten schnell hin und strecken die Hand vor. Kommunikation eher wenig. Es ist vielleicht ein nîhâo – Hallo – und ein xièxie – Danke – . Wenn es ein netter Marsmensch ist, dann kommt ein bùkèqì hinterher – da nicht für. So schnell sie kommen sind sie auch wieder weg und klopfen an der nächsten Tür. Zusätzlich haben wir an Tag 4, Tag 7, Tag 11 und Tag 13 beim Marsmännchen an der Tür einen Coronatest gemacht. Nase und Rachen. Dabei haben wir genau aufgepasst, dass auf dem kleinen Röhrchen, wo die Teststäbchen reingesteckt wurden, auch tatsächlich unser Name drauf steht mit unserer Reisepassnummer. Morgens, mittags und abends gab es Essen, ein kleines Klopfen an der Tür signalisierte, auf dem kleinen Tischchen vor der Tür ist eine Plastiktüte mit zwei mal Essen. Zu geniessen war das Essen allerdings bis auf die Spaghetti nicht wirklich.
Virtueller Kontakt nach draussen
Eine liebe Person vor Ort hat uns zum Glück fast täglich mit tollen Carepaketen versorgt. Brot, Butter, Aufschnitt, Früchte, Müsli, Milch, Kekse. Sehr geschickt hat sie die Dinge verpackt, so ein bisschen Schmuggeln war von Nöten. Die Kaffeemaschine hat intensive Diskussionen beim Personal ausgelöst, aber die Verhandlungen liefen gut für uns und der Kaffee hat uns jeden morgen wach werden lassen. Natürlich haben Freunde in Shanghai sich um uns gekümmert, immer wieder nette Nachrichten oder Anrufe und das Countdown zählen haben wir gemeinsam gefeiert.
Unsere Kinder haben uns sicherlich 50 mal angerufen, das war schön! Manche Gespräche mit Freunden waren für beide Seiten ein Augenöffner: „Ach so, ihr habt gar keine Minibar?“ … “ Nein“ … „Ihr bekommt wirklich keine neuen Handtücher in 14 Tagen und keine neue Bettwäsche? Da würde ich mich mal beschweren!“ … „Nein, das lassen wir lieber!“ … „Ach, ihr könnt nicht vor die Tür, hier in Deutschland machen das viele, zumindest nachts mal die beide vertreten!“ … “ Nein, hier sind überall Kameras und wir sind ja nicht zu hause!“ … „Könnt ihr nicht Zimmerservice ordern?“ … “ Nein, dies ist ein Quaranränehotel, es hat mit einem Hotel nichts zu tun!“
Germans stranded outside of SH
Das Pendant zu WhatsApp ist in China WeChat. Dies ist das zentrale Kommunikationsmedium, privat wie beruflich. Eine für deutschsprachige Expats lebensnotwendige Gruppe heisst: Germans stranded outside of SH. Hier sind während meiner 2 Wochen die Nachrichten im Sekundentakt gekommen. Die sowieso schon sehr wenigen Flüge aus Deutschland von Lufthansa und China Eastern drohten einer ums andere gestrichen zu werden. Die chinesische Flugaufsicht zählt die Menge an positiven Fällen, die eine Flugverbindung ins Land bringt, bei 5 akkumulierten Fälle wird diese Verbindung für 2 oder 4 Wochen gestrichen. Die Buchungen werden storniert, der Fluggast muss sich einen neuen Flug suchen. Da alle Flüge bis August sowieso schon hoffnungslos ausgebucht sind, stranden eben viele in Deutschland. Daher der Name dieser Gruppe. Schicksale und Verzweiflung gepaart mit Wut, Resignation und Hilflosigkeit lassen alle Gruppenmitglieder zusammenrücken. Alle versuchen zu helfen, zu trösten. Manch einer hat schon Flustornierungen zwei mal erlebt, das 3 Monatsvisum ist abgelaufen. Hier heisst es dann ein neues Visum zu beantragen und auf einen positiven Bescheid zu hoffen. Und ein Start in China verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Die Deutsche Außenhandelskammer organisiert seit Ausbruch der Pandemie immer wieder Charterflüge nach Qingdao für Mitarbeiter von den Firmen, die Mitglieder der AHK sind. Die Quarantänehotels dort sind sehr ordentlich und direkt am Meer. Wer Glück hat bekommt ein Zimmer mit Blick aufs Meer und mit kleiner Terrasse. Dort müssen dann alle zur Zeit 3 Wochen ausharren. Aber viel glücklicher sind diejenigen, die einen Platz in den Fliegern bekommen. Es scheinen ausserplanmässig weitere Flüge angeboten zu werden. Die Verzweiflung ist groß bei denen, die gestrandet sind, verständlicherweise.
In der WeChat Gruppe kursierten auch Informationen zu den einzelnen Quarantänehotels und so haben ich auch meinen Input gegeben zu Quarantänehotel 45 im Stadtteil Pudong.
Die 3. Quarantänewoche zu Hause
Der Abtransport vom Quarantänehotel in unser Apartment lief aus chinesischer Sicht total schief. Der Bus war nicht da. Für uns herrlich, denn wir konnten uns draussen auf dem hermetisch abgesperrten Vorplatz des Hotels bewegen. Für eine Stunde sind wir in großen Schleifen hin und her gelaufen, ich kam auf 8000 Schritte. Luxus. Klar, die hätte ich im Hotelzimmer auch laufen können, aber wenn nach 7 Schritten das Zimmer endet ist es eher ein mühsames Unterfangen.
Ein großer Reisebus, zwei Marsmännchen, mein Mann und ich samt Kameraüberwachung. Der Concierge in unserem Compound wusste, dass wir kommen, unsere Koffer wurden desinfiziert, der Aufzug vor uns sicher auch nach unserer Benutzung auch. Und wieder Marsmännchen. Unsere Apartmenttür hatte schon einen kleinen Bewegungssensor. Die gefühlten 2 Stunden draussen waren vorbei. Die Tür schnappte ins Schloss. Wir waren zu Hause, raus durften wir nicht, unser Müll wurde von Spezialkräften jeden Morgen abgeholt und in gelbe Sondermüllsäcke für die Verbrennungsanlage gestopft. Das war das einzige, was aus der Wohnung gelagen durfte. Ein unterzeichnetes Dokument meines Mannes für seine Firma durfte unsere vier Wände nicht verlassen. Ein Virus kann überall hocken.
Ein Marsmännchen lässt uns raus Draußen in der Hoteleinfahrt – Beine vertreten Exklusivbus mit Beifahrer und Kamera
Frische Handtücher, duftende Bettwäsche, weiche Matratze, voller Kühlschrank, eigenes Sofa, Terrasse, Willkommensgeschenke von Kollegen und jede Menge Blumen. In China kursiert der Glaube, dass Deutsche nur Bier trinken … ein Korb mit 40 unterschiedlichen Flaschen lächelte uns auch an. Nach 2 Wochen leberfreundliches Leben ein herrlicher Geschmack. Kühles Bier – ja, einfach lecker.
Freiheit ist ein großes Gut
Ja, ich kann sagen, dass die Freiheit und das unbeobachtete Bewegen doch ein sehr hohes Gut ist. Natürlich haben wir die 3 Wochen überstanden. Natürlich war es nicht immer schrecklich. Natürlich haben wir nach 4 Wochen intensiven Weihnachtsferien die Ruhe auch genossen. Natürlich ist es nicht schlimm, für einige Zeit eher von Müsli und Brot sich zu ernähren. Natürlich sind 10 Stunden Netflix am Stück möglich und anstrengend. Natürlich sterbe ich nicht, wenn das Handtuch nach 10 Tagen stinkt. Aber es ist dennoch eine mentale Belastung und eine emotionale Herausforderung. Ich ziehe meinen Hut vor meinem Mann, der nun schon die 5. Quarantäne überstanden hat. Und es wird für uns nicht die letzte gewesen sein. Immerhin leben unsere Kinder und Eltern und Geschwister und Freunde alle in Europa. Und dort müssen wir hin und wieder hin und wir vergessen auch immer wieder schnell, was unsere Flugtickets so kosten. Wir können froh sein, dass wir welche bekommen und dank nicht nur der Germans stranded in SH sind wir immer auf dem Laufenden, wie sich die Flugsituation nach China gestaltet. Die Hoffnung auf bessere Zeiten besteht, wann das allerdings sein wird, mag keiner wirklich prognostizieren.
Auf der Terrasse sitzen und frische Luft schnappen Sportler beobachten Nachbarn ausspähen Einfahrt zum Nebencompound checken Was man so macht, wenn Netflix langweilig wird und das Buch gerade blöd ist und die Küche aufgeräumt ist und die Wäsche gewaschen ist und schöne Sonne draussen ist.
Wie immer freue ich mich über Kommentare und wer einen Einblick in meinen Alltag in Shanghai haben möchte, der kann gerne SHANGHAI.CALLING auf Instagram folgen!
Die Rückkehr nach Shanghai nach meiner gezwungenen Abwesenheit durch Corona bedingt ist geglückt. Von September bis Dezember tauchte ich wieder in die Stadt ein. Dann ging es zu den Weihnachtsferien in die Heimat zurück. Hier nun ein kleiner Rückblick auf die Zeit des Reentry to expatlife.
Die Situation
Für diejenigen, die meinen Blog heute zum ersten mal lesen: Mein Mann, meine Zwillingssöhne und ich flohen Ende Januar 2020 aus Thailand vor Covid nach Deutschland und ich bin fast 600 Tage in Deutschland gestrandet. Meine Zwillingssöhne sind erst gar nicht mehr mit mir zurück nach Shanghai, sie gehen nun in Europa auf eine Schule. Mein Mann pendelte mit allen Restriktionen hin und her.
Die Tatsache, dass ich mich seit Rückkehr um meine Kinder hier vor Ort nicht kümmern musste, ließ mich viel freier in der Stadt bewegen, ich musste mich nur um mich und meinen Mann kümmern. Ein neues und so dermaßen ungewohnte Situation, dass wir das erstmal lernen mussten. Plötzlich allein, im 23. Ehejahr, keine Schulevents, keine Unterstützung bei Hausaufgaben, keine Schulbrote. Aber wie vieles im Leben, die Umstellung ging schnell.
Die Abwesenheit von Kindern bedeutet nicht, dass sie nicht omnipräsent sind. Das Kümmern geht immer weiter und ich kann wirklich sagen: Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen. So ziemlich alles ist aus der Ferne lösbar, sofern es nicht um die Gesundheit der Kinder geht und Mama vor Ort bei den Kindern nicht zur Supermom werden muss.
Kindererziehung
Dankbar blicke ich auf fast 20 Jahre Kindererziehung zurück und mir war immer wichtig, dass meine Kinder selbständig werden. Selbständigkeit bedeutet für mich, sich ohne Scheu auf neues Terrain zu begeben und aus bereits gemachten Erfahrungen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn die Entscheidungen doch auch mal falsch sein können. Dabei stossen die Kinder immer wieder an Grenzen, das ist ganz normal. So sind mein Mann und ich hier aus der Ferne eine sichere Bank und dann ergeben sich auch mal SOS Anrufe in der Nacht. Wir leiten und begleiten und geben den Kindern Sicherheit. Ein großes Learning für meinen ältesten Sohn ist nach Jahren sicherer Bubble zu Hause und im Internat, dass die Welt da draussen nicht immer freundlich ist und keiner auf dich wartet. Nach tiefen Tälern kommt der Berg und dann auch die Sonne.
Leben in Shanghai
Das Expatleben nach gut 10 Wochen in China ist ein anders als vor der Pandemie. Es ist deutlich zu spüren, dass viele Expats das Land verlassen haben oder eben nach der spontanen Ausreise im Februar 2020 erst gar nicht zurück gekommen sind. Das habe ich bereits in meinem letzten Blog angemerkt und es hat sich bestätigt. Immer mehr Expats werden zum Jahresende das Land verlassen oder werden zu den Sommerferien 2022 vollkommen entkräftet dem Land den Rücken zukehren.
Gemerkt habe ich das unter anderem in unserem Compound Chat mit 380 Mitglieder. Ganze Wohnungseinrichtungen wurden ständig verschenkt und verkauft. Dies unter dem Motto, das Zeug los zu werden und nicht zu viel Ballast mit zu schleppen. Verabschiedungen und liebevolle Wünsche von denen, die bleiben oder hier wohnen. Emotionale Momente und es wird klar, dass die Menschen sich näher gerückt sind auf eine sehr emphatische Art.
Hilfe unter den Expats
Ein Leben auch in der Ferne ist ohne Freunde oder Bekanntschaften nur halb so schön. Mein Mann hatte sich einer sehr lustigen Sportgruppe angeschlossen, mehrheitlich unkomplizierte Briten. Diese habe ich im September direkt kennengelernt und in mein Herz geschlossen und mir war klar, sie hatten sich um meinen Mann in meiner Abwesenheit gut gekümmert. Auch haben seine Kollegen ihn vor allem wochenends zu allen kulinarischen Touren mitgenommen. So ist Position in einer Firma am Ende nicht das was wichtig ist, sondern die Zugewandheit untereinander in einer Pandemie, wo alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben und für viele die Familie in der Ferne unerreichbar war und ist.
andere Expatfrauen
Kontakte zu Schulmüttern habe ich nicht auffrischen können, aber eine handvoll anderer Expatfrauen waren ausreichend, damit ich gemeinsame Touren schnell verabredet habe.
Und nichts ist schöner als mit Si-Young die Leidenschaft für Stoffe zu teilen und ununterbrochen auf Materialjagd zu gehen und mit dem Schneider neue Blusen aus schönster Seide zu kreieren. Ich bin nun stolze Besitzerin eine Cashmere Marlene Dietrich Hose und habe den coolsten Laden für Stickereien entdeckt. Wenn ich schon so viele Leidenschaften hätte, würde ich glatt Seidenblusen nach Maß nach Deutschland exportieren. Eine Bereicherung und dies ist nun wirklich nur in China möglich.
Und dann hatte ich da noch Alexandra, mit der ich immer im losen Kontakt während meiner Zeit in Deutschland geblieben war. Sightseeing mit der Kamera! Da trafen wir zwei uns und Gesprächsstoff ging uns nie aus und Ideen für weiteres Eintauchen in die chinesische Kultur und dunkle Ecken von Shanghai auch nicht. Eine Bereicherung für mich und ich bin beeindruckt von ihr. Sie hat mit Nicole während der Pandemie ein Buch geschrieben: 111 Orte in Shanghai die man gesehen haben muss. Ich habe es gerade in der Quarantäne verschlungen, in einem nächsten Blogbeitrag stelle ich es vor.
Und dann sind da noch Andrea und Pavol, Slowaken, die zuvor in Moskau gelebt haben. Profi-Expats. Sie haben auch eine unglaubliche China-Corona-Odyssee hinter sich. Die Sehnsucht nach Normalität ist ihnen bei jedem Treffen aus ihren Gesichtern zu lesen. Sie sind einfach ganz feine Menschen, nach kurzer Zeit durfte ich sie für mich als gute Freunde bezeichnen. Sie teilen die Liebe zu gutem Essen und für schöne Reisen und dies haben wir in den drei Monaten ausgiebig gemacht, auch wenn einige Reisen durch Coronarestriktionen gestrichen werden mussten. Eine Bereicherung fürs Leben.
Und dann ist da natürlich noch mein Partner, Ehemann, Freund, Zentrum, Kompass, Vater meiner Kinder, Korrektiv und Teamplayer. Das Ziehen in die gleiche Richtung ist während echt steinigen Zeiten das Rezept dafür, dass auch eine gewisse Leichtigkeit immer wieder da ist. Wunderschöne Fahrradtouren haben wir an den Wochenenden unternommen, Yunnan für uns entdeckt, die Wohnung verschönert, den Schneider gemeinsam auf Trab gehalten, unzählige Abende in Restaurants verbracht, Kunst erworben, Ausstellungen besucht, das Dickicht eines Systems gemeinsam ertragen, die Kinder auf ihrem Weg aus der Ferne beraten, ermutigt und gelobt.
Und dann bin ich natürlich meiner großen Leidenschaft nachgegangen: Die Fotografie. Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Nachfolgend ein paar Eindrücke, die ich entweder bewusst gesucht habe oder die ich auf meinen Fahrradtouren aufgegriffen habe:
Der Mop – ein KultobjektDer Longhua Tempel – Geschichte puralles muss gut bewacht seinHupen im Straßenverkehr verboten! Kartenspiel – das lieben die Chinesen!Wohnen drinnen und draussen3-2-1-meins!nachts werden die Straßen neu begrünt. Skyline vom Suzhou Creek3-2-1-meins! 100 Jahre kommunistische Partei – überall sichtbaryellow bikes – überall in der Stadt erhältlichklein, aber hier gibt’s allesjedem seine Pauseder fliegende KorbflechterWaschtag – unübersehbarhier gibts Huhn nur im Ganzendie winkende Katze – ein Muss!mein Tomatenverkäufer mit der roten Jackedie Vogelkäfige – sie sind manchmal noch zu sehenChinesen fotografieren gerne im Pulkein bisschen Shanghai von mir gesehen
Es war eine unbeschwerte Zeit in dieser Megametropole, die voller Gegensätze und Kuriositäten ist, die weltoffen sein möchte, aber in der Pandemie sich nicht weltoffen zeigt. Wann sich die vielen Märkte und Sehenswürdigkeiten sich mit Touristen wieder füllen, internationale Künstler und Orchester wieder nach China reisen können, das lässt sich nur erahnen. Mein Mann und ich werden dies wohl nicht mehr erleben und unsere Kinder werden uns wohl nicht mehr hier besuchen können. Irgendwann endet eine Entsendung.
Weihnachten nach Hause zu den Kindern
Am 10. Dezember bin ich mit meinem Mann mit der Lufthansa vom Internationalen Flughafen Shanghai-Pudong heim. Die eigene heimische Fluggesellschaft zu betreten, macht nach Jahren im Ausland zu leben schon ein Gefühl von: Gleich bin ich da. Schön. Die Vorfreude, bald unsere Kindern nach 3 1/2 Monaten zu sehen war uns ins Gesicht geschrieben.
Am Schalter standen viele europäische Familien nicht nur mit Reisegepäck, sondern ganz offensichtlich mit Ausreisegepäck. Koffer über Koffer. Ich sah einen kleinen Jungen, der seinen eigenen Rollkoffer hinter sich her zog. Daran hing unter dem Griff ein zerknittertes Schlafkissen. Es sah aus wie das Lieblingskissen, das überall mit hin reist. Und ich sah seinen Fahrradhelm links daneben baumeln. Aus seinem Rucksack guckte ein Kuscheltier. Es war klar, hier zieht jemand um. Um ihn herum die Eltern mit den Geschwistern und jeder Menge Koffer. Sah ich Erleichterung in ihrem Augen? War es Flucht vor den Restriktionen oder war es das pandemieunabhängige Ende der Entsendung und des Chinaaufenthaltes? Ich weiss es nicht.
Wir freuten uns mit jeder zwei großen Koffern voller Weihnachtgeschenke auf Heimat und die Kinder. Im Koffer waren so einige Unikate, die ich habe anfertigen lassen, von denen mein Mann keine Ahnung hatte und die Kinder sowieso nicht. Das Wiedersehen war ein Genuss, Weihnachten wie immer festlich, besinnlich und schön. Die Unikate ein Volltreffer.
Zurück nach Shanghai
Auf dem Rückflug nach China Anfang Januar war der leere Platz im Koffer mit jeder Menge Fourage gefüllt, damit die 2 Wochen Hotelquarantäne nicht so freudlos werden. Aus dieser Hotelquarantäne aus schreibe ich gerade. 10 von 14 Tagen sind rum. Danach folgen noch 7 Tage verschärfte Heimquarantäne. Alles zum Zwecke der 0 Covid Politik in China. Nach Hause geht es Dienstag mit deutlich leereren Koffern, die Vorräte gehen zur Neige und der Wunsch nach dem eigenen Bett wächst.
Das ist Expatleben in China zu Zeiten von Corona. Leicht ist anders. Aber jammern nutzt nix! Ich freue mich auf Si-Young, Alexandra, Andrea, Pavol und die vielen anderen Menschen, die mir die Rückkehr nach Shanghai so leicht gemacht haben.
P.s.: Wer mag kann auch gerne meine Beiträge auf Instagram verfolgen. Sucht nach shanghai.calling !
Nach 591 Tagen schreibe ich einen Shanghai-Calling Blog wieder aus meiner Wahlheimat Shanghai. Ich sitze in meinen Lieblingscafé Baker & Spice in der Anfu Lu, nicht weit von unserem Apartment entfernt. Das Café ist beliebt bei Expats, denn hier im Stadtteil der ehemaligen French Concession leben viele Expats. An einem langen Tisch sitze ich, viele Laptops sind geöffnet und es herrscht Arbeitsatmosphäre. Das finde ich gut. Weit und breit sind aber keine Expats oder ausländische Gesichter zu sehen. Ein ungewohntes Bild. Ist es nur Zufall oder liegt es an der Pandemie? Ich bin unsicher.
Hinter mir liegt eine lange, durstige und steinige Strecke, die geprägt ist von Trennung, die durch die Pandemie ausgelöst wurde und die ich niemandem wünsche. Wir als sechsköpfige Familie haben uns da durchgekämpft und heute kann ich sagen, daß es allen gut geht. Alle Kinder sind in Europa und sind happy dort, wo sie sind. Kinder happy, Eltern happy. So ist es doch. Mein Mann und ich starten also in das Abenteuer, das da heisst: Gemeinsam zurück nach Shanghai. Nach fast 600 Tagen. Gerne berichte ich nun, wie es so läuft, nach China einzureisen. Es ist ein langes hin und her bei den Behörden in Shanghai, wie unsere 14tägige Quarantäne aussehen soll. Schnell ist klar, dass wir eine komfortable Quarantäne gemeinsam in unserem Apartment nicht machen können. Das Hin und Her, ob es eine gemeinsame Quarantäne in einem Hotel werden kann, zehrt an den Kräften, normalerweise ist es nicht gestattet. Wir bekommen grünes Licht und landen in einer Suite eines alten Hotels, das von der chin. Regierung komplett zu einem Quarantänehotel umfunktioniert wurde.
Der Weg bis ins Hotel
Zur Zeit fliegt die Lufthansa 2 mal in der Woche nach Shanghai, mehr lässt die chin. Regierung nicht zu. Normalerweise fliegt Lufthansa jeden Tag von Frankfurt und von München nach Shanghai. So sind die Plätze im Flieger begehrt für diejenigen, die überhaupt ins Land dürfen. Wer kein gültiges Visum hat muss auf unbestimmte Zeit warten. Diese Hürde nehmen wir galant und sehr zeitig haben wir gebucht. Den weiteren Dokumentenaustausch, der erfragt und erforderlich ist, bekomme ich nur am Rande mit. Es sind unzählige Papierstücke erforderlich, auch wenn die Behörden in China diese alle schon mehrfach unbeglaubigt und beglaubigt, in Original oder in Kopie haben. Sicher ist sicher. Am Frankfurter Flughafen gibt es ein zertifiziertes Labor für Covid Tests, die von der chin. Regierung akzeptiert ist. Dort lassen wir einen PCR Test und einen Antikörper Bluttest machen. Das Personal dort ist ausserordentlich freundlich und es reicht sogar für ein kleines persönliches Gespräch. Es menschelt, das tut gut und der leitende Arzt dort wünscht uns für unsere Quarantäne in China alles Gute. Nett, einfach nett.
Mit dem Erhalt unserer negativen Testergebnisse laden wir diese und alle anderen notwendigen Dokumente in in einer Art Einreise App hoch und hoffen, dass die Chinesische Botschaft in Frankfurt uns grünes Licht für unsere Einreise erteilen. Spannung bei meinem Mann, denn er weiß, wenn das nicht klappt, haben wir ein echtes Problem. Er hat Kollegen stranden sehen und der Flieger war weg. Ich bin entspannter, hoffe aber insgeheim, dass ich nirgends einen Zahlen- oder Buchstabendreher beim Ausfüllen der App gemacht habe. Warten und dann: Hurra! Es klappt – wir haben die Erlaubnis! Unsere Health Declaration ist akzeptiert. Wir klicken in der Chinesischen ALIPAY App den Healthcode an und füllen dort wieder weitere Daten und Dokumente hoch. Nun brauchen wir den Status Grün. Es klappt bei meinem Mann, er ist da sicher geübter im Ausfüllen. Bei mir klappt es nicht, ich werde nervös, bin genervt, dass ich mir meine Reisepassnummer immer noch nicht merken kann und bin froh, dass ich die nun ruhigere helfende Hand meines Mannes habe. Ich bin überrascht, dass ich nicht entspannt bleibe, aber ich habe Respekt vor dem ganzen System in der Ferne. Ein Aufatmen bei mir, denn auch mein Healthcode ist grün. Ich gehe meine Koffer packen und schaue, dass ich für die kommenden 14 Tage im Hotel genug Bücher habe und lade nochmal ein paar Filme runter. Zwei Koffer sind schnell neben dem Bordkoffer und meiner Handtasche voll. Nix wichtiges für die nächsten 3 Monate darf fehlen.
Am Flughafen Frankfurt
Der Flughafen in Frankfurt ist am Abflugabend immer noch gespenstisch leer und das Einchecken dauert lange, denn nicht nur das Bodenpersonal beim Check in, sondern auch am Gate wollen Dokumente und vor allem den grünen Heathcode sehen. Keiner möchte Probleme mit den chin. Behörden haben. Es dauert alles lange, alle Passagiere sind geduldig. Der Flieger ist angeblich ausgebucht, jedoch um uns herum sind doch einige Plätze frei. Wir glauben, dass nicht alle die notwendigen Dokumente zusammentragen konnten und sie sind wohl am Flughafen gestrandet. Ich mache es mir in einem großen Sitz neben meinem Mann bequem, ziehe noch die Schuhe aus und falle ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln in einen komatischen Tiefschlaf. Nach 10 Stunden wache ich auf und bin längst im Himmel über China.
Am Flughafen Shanghai
Der Flughafen in Shanghai ist eigentlich immer voll oder übervoll, die internationalen Maschinen landen zeitgleich, so dass ein Gedränge herrscht, vor allem bei der Gepäckkontrolle. Es ist anders, es ist alles gespenstisch anders. Ich versuche nicht zu glotzen, sondern mich mit meinem Mann in die Schlange anzustellen, ein Dokument muss ausgefüllt werden, ich bin mir nicht sicher wofür, aber wir machen es wie alle anderen. Überall laufen Marsmännchen herum. sie sind im kompletter Schutzmontur, ein möglicher importierter Virus aus dem Ausland hat hier keine Chance. Wir haben den ersten Temperaturcheck und dann kommt der Scan mit dem grünen Healthcode. Wir fallen beide krachend durch.
Er hat gerade die 24 Stunden Gültigkeit verloren. Wir werden zur Seite geschoben, keiner spricht hier Englisch, mein Mann sagt: Schatz, nicht aufregen, wir müssen alles nochmal ausfüllen. Mir wird spontan echt heiss und ich tippe nervös meine Reisepassnummer, meine persönlichen Daten und lade Dokumente hoch. Es klappt wieder nicht und ich habe das Gefühl, dass ich hier gerade gerne mal weg möchte. Ich müsste eigentlich meine Reisepassnummer und meine Visanummer mittlerweile doch echt auswendig kennen, aber das Hirn streikt.
Der komische weiße Zettel in meiner Hand wird feucht. Plötzlich blinkt mich der grüne Healthcode an. Klasse. Es geht weiter durch den Parcours zur Passkontrolle. Der ausgefüllte Einreisezettel aus dem Flieger ist veraltet, wir müssen ihn nochmal ausfüllen. Augenrollen, aber nützt ja nix. Wieder Passnummer, wieder Visanummer, wieder nachschauen. Der Gesichtscheck klappt, ich bekomme den Einreisestempel China, Shanghai. Welcome back. Nach 577 Tagen. Hurra, ich küsse meinen Mann, setze aber schnell die FFP2 Maske wieder auf und folge ihm im weiteren Parcours. Laufen. Laufen. Brav sein. Wir landen beim PCR Test. Hals und Nase. Es tut weh. Die Wattestäbchen verschwinden tief in Mund und Nase. Der Parcours führt uns zu den Koffern, alle da. Prima. Ab hier bekommen wir VIP Betreuung – ein Danke an das Team meines Mannes in Shanghai. Mr. Felix and wife werden schon erwartet. Panik steigt auf, denn unser Pass wird uns weggenommen, der weisse Zettel ist auch weg. Wir verstehen, dass wir das überlebenswichstigste Stück im Bus zum Quarantänehotel wiederbekommen werden. Ach, wird schon, denke ich. Ist ja VIP Betreuung. Den offiziellen Parcours verlassen wir und lernen einen schwedischen Geschäftsmann kenne, der auch VIP gebucht bekommen hat.
Wir drei landen in einem kleinen Bus, zwei Marsmännchen vorne. Zwischen uns eine dicke Folie zum Schutz vor Viren. Mit dem Schweden kommen wir sehr nett ins Gespräch, er hat die 14 Tage Quarantäne allein vor sich. Ich bin froh, dass ich gleich nicht allein weggesperrt werde.
Die Männer tauschen die WeChat Kontakte aus, wir vereinbaren, nach der Quarantäne ein Bier zusammen zu trinken. Positiv denken!
Das Quarantänehotel in Pudong
Es dauert nochmal eine lange Zeit bis wir im Wyndham Hotel durch den Lieferanteneingang einchecken. Hier empfängt uns ein freundliches weibliches Marsmännchen und sie fragt alles Wichtige nochmal ab und auch hier sind Passnummer und Visanummer von Nöten in einem weiteren digitalen Dokument. Wir geben fleissig alles wieder ein, auch wenn alle Daten längst bekannt sind. Frei nach dem Motto: Vertraue ist gut, Kontrolle ist besser. Wie zu erwarten, kommt kein freundlicher Page und bringt unsere Koffer ins Zimmer, wir schnappen uns einen großen Lastenwagen, laden alle 6 Koffer drauf und folgen einem anderen Marsmännchen zum Aufzug und verabschieden uns vom Schweden. Der 33. Stock ist nun für 14 Tage unsere Bleibe, Zimmer 3301. Das Tischchen vor der Tür weist mich schon jetzt daraufhin, dass wir hier jetzt 3 mal am Tag das abgestellte Essen schnell ins Zimmer uns schnappen werden. Das Marsmännchen gibt uns noch eine Tüte mit Klorollen, eine Packung mit Chlortabletten und eine Rolle Mülltüten. Wahrscheinlich sagt er so was ähnliches wie alles Gute oder so, sein Chinesisch verstehen wir natürlich nicht. Er scheint zu lächeln.
Zimmer 3301
Nun sind wir also in unserem Zimmer, eine kleine Suite. Es ist in Ordnung. Wir richten uns irgendwie ein, jeder sucht sich eine kleine Ecke. Wir haben beide keinen Impuls, die Koffer auszupacken. Es soll ja nicht heimisch werden. Der Blick aus dem Panoramafenster ist cool.
Wir gucken auf den Huangpu, ein Fluss, der das Stadtzentrum teilt. Die Yangpu Bridge haben wir voll im Blick, wenn wir die Ecke von der Shanghai Skyline erhaschen wollen. Tolle Architektur und ich denke an die Golden Gate Bridge.
Aber mit Tor zur Freiheit hat das hier gerade nichts zu tun. In den kommenden 14 Tagen werden wir den Fluss lieben lernen, denn hier ist viel zu glotzen, Schiffe von links und rechts, Schlepper, die Gezeiten. Das Zählen der Schiffe macht Spaß. Ich denke an die Wimmelbücher für Kinder von Ali Mitgutsch, auf den Bildern war so viel zu entdecken und immer wieder was neues. Es war herrlich, denn manchmal haben wir gemeinsam geglotzt und uns gefragt, ob der eine orangene Kran da unten gestern da auch schon war. Wir lachen. Wahrgenommen hatten wir nur den verrosteten braunen. Der Fluss hat uns viel Gesprächsstoff gegeben.
Und wenn alle Schiffe mal gerade uninteressant waren, habe ich die Anzahl der vorbeifahrenden Linienbusse gezählt. Es sind viele, sehr sehr viele. Irgendwie vermisse ich ein bisschen den Blick.
14 Tage stereotypes Abhocken
Das Essen war schrecklich. Egal ob Chinesisches Essen oder die Continental Food Variante. Im Koffer waren ein paar deutsche Leckereien wie Schokolade, Lakritze oder Salziges und am Duty Free habe ich mir Piccolo Champagner Flaschen gegönnt. Ein bisschen dekadent, aber es musste sein.
Zum Glück konnte die Assistentin von meinem Mann das ein oder andere Abgepackte uns schicken und zwischendrin – gut versteckt – waren ein paar Deutsche Gebräue in Dosen. Ein Highlight am Abend. Jeden Tag wurde 2 mal unsere Temperatur gemessen, so um 9 Uhr und so um 15 Uhr. Dazu kamen 3 PCR Test an Tag 4, an Tag 7 und an Tag 13. Jedes Mal haben die Marsmännchen freundlich hello gesagt und unsere Temperatur war welly good.
Mein Mann hat natürlich gearbeitet, immer wieder lokale und internationale Telefonkonferenzen und Interviews mit potentiellen neuen Mitarbeitern geführt. Oft bin ich gar nicht drumrum gekommen, zuzuhören. Meine Einschätzungen zu Sympathie und Antipathie waren immer richtig. Ein 14 tägiges kostenloses Feedback von der Ehefrau eines CEO gibt es sicher auch selten. Ich habe mehrheitlich mich mit meiner nun kommenden Zeit in Shanghai befasst, habe viele tolle Bücher und Zeitschriften gelesen, erstaunlich wenig Netflix angemacht.
Die Laune war bei uns beiden oft ok, aber manchmal auch einfach so dumpf. Da half bei mir nicht social media als Ablenkung, sondern Lesen, meine Internetseiten an einigen Stellen verbessern und Bewegung. Ich bin die werdende Queen am Hulahoop Himmel, sagt mein Mann! Neue Kleidung täglich war so überflüssig wie Schuhe anzuiehen. Ein Pyjama reicht auch aus, aber eben nicht immer. Manchmal hatte ich das Lotterige satt und habe mich richtig ordentlich angezogen, Duft und einen schönen Lippenstift inbegriffen. Ich war quasi ready to go. Nur halt nicht sofort! Aber sich nett zurecht zu machen ist doch auch was schönes. Schatz, du siehst zauberhaft aus. Das ist doch ein schönes Kompliment in einer Zwangsquarantäne…
7 Tage Home Monitoring
Nach 14 Tagen wurden wir entlassen. Es waren wirklich 14 Tage auf die Stunde genau, denn am 2. September wurden wir um 15 Uhr am Flughafen von Shanghai-Pudong registrierst und am 16. September 15 Uhr endete somit die Quarantäne. Mit dem Auschecken waren wir um 14:53 Uhr fertig und wir haben am Hintereingang gestanden, an dem wir eben 14 Tage vorher ankamen. Please wait 7 minutes hörten wir. Korrekt ist korrekt. Unser Fahrer Neo hat uns freudestrahlend im Empfang genommen, das Einatmen von frischer, warmer, stickiger, leicht stinkender Luft war ein Genuß. 14 Tage ohne frische Luft, da nimmst du alles was kommt.
Organisieren können die Chinesen gut, denn Ogaa vom Health Monitoring Team unseres Stadtteils hatte schon mit meinem Mann, der Assistentin von ihm und mir eine WeChat Gruppe gebildet. Ab jetzt hat Ogaa uns überwacht. Jeden Tag haben wir zwei mal unsere Temperatur per Videodreh ihr übermittelt. Immer kam ein ok. Da wir noch nicht genügend PCR Test über uns haben ergehen lassen, sind wir an Tag 16 und Tag 21 nach Einreise nochmal zum Testen ins Stadtteil Covid Pfüfzentrum einbeordert worden. Die Assistentin von Meinem Mann hat das alles wunderbar für uns organisiert. Ohne sie wäre es sicher ungleich komplizierter geworden. Auch diese negativen Testergebnisse haben wir in der WeChat Gruppe gepostet. Letzten Donnerstag kam dann von Ogaa: Sieben Tage kommunale Gesundheitsüberwachung ist vorbei. Wir drei danken ihr. Nun sind wir Frei!
14 + 7 Tage
14 Tage in ein Hotelzimmer eingesperrt zu werden ist eine meiner komischsten Erfahrung, die ich gemacht habt. Nicht raus zu dürfen, sich nicht frei bewegen zu können und 14 Tage Essen aus Plastikschalen, überwacht zu werden. Ätzend. Diese 7 Tage Home Monitoring waren hingegen vollkommen in Ordnung. Wir haben uns frei bewegen können, mein Mann ist ins Büro gegangen und ich habe unsere Wahlheimat Shanghai viel radelnd wiederentdeckt und wir haben gutes Essen an ordentlich gedeckten Tischen mit Porzellan, Gläsern, Besteck und Servietten sehr genossen. Die Zimmer unserer Söhne sind genau so, wie wir sie Ende Januar 2020 für die 8 Tage Ferien in Thailand verlassen habe. Die Schulbücher, Hefte und Stifte liegen bereit und die Fußballschuhe für das nächste Training sauber. Wer hätte damals gedacht, dass wir aus Thailand nach Deutschland vor einem Virus fliehen, der zu diesem Zeitpunkt in Europa noch keine Gefahr darstellte und unsere Söhne ihre Schule in Shanghai nie wieder besuchen werden? Niemand.
Das Leben geht weiter – für mich nun wieder in Shanghai und auch mein Blog Shanghai-Calling erwacht so langsam wieder zum Leben. Schaut vorbei in MEINEM SHANGHAI ABC oder gerne auch bei meinen Buchempfehlungen zu China.
Alles Luise
P.s.: Auf Instagram unter SHANGHAI.CALLING könnt ihr Shanghai und China in Bildern und kleinen Geschichten entdecken.
In China ist das Leben vollkommen zurück, es ist wohl auch das einzige Land, wo Normalität herrscht. Die Menschen laufen ohne Masken herum, die Kinder gehen ohne Einschränkungen in die Schule und das Arbeitsleben ist wieder komplett zurück. Die Restaurants in Shanghai haben Hochkonjunktur.
Viele Menschen können nicht ins Land, weil sie die falsche Staatsbürgerschaft haben. Viele Menschen würden gerne nach China geschäftlich reisen, aber wer möchte schon 14 Tage in Quarantäne? Fast alles geht mittlerweile online. Zoom und co sei Dank.
Viele Expats würden gerne endlich das Land verlassen, um mal endlich wieder nach Hause zu fliegen, jedoch ist auch für sie eine Rückkehr nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Ehrlich gesagt, wer will schon gerade nach Deutschland? Aber die Sehnsucht, die Eltern, Großeltern, Geschwister, Kinder, Freunde in die Arme zu nehmen, steigt von Tag zu Tag. Die Durchhalteparolen unter den Expats in Shanghai steigt.
Und ich? Ja, ich möchte endlich mal wieder zurück nach Shanghai. Ich bin nun seit 15 Monaten in Deutschland gestrandet und es ist alles andere als leicht, so lange in einer Art Warteschleife zu hängen und die Situation zu akzeptieren, wie sie nun ist. Corona hat unser Familienleben vollkommen durcheinandergewürfelt und ein Zurück zu dem Status vor Corona wird es leider nicht mehr geben.
Rückblick
Meine jüngeren beiden Zwillingssöhne waren mit uns im Sommer 2019 nach China gegangen – bereit für ein Abenteuer der ganz anderen Art. Wir haben sie in der British International School of Shanghai (BISS) angemeldet. Sie waren dort sehr glücklich und sind endlich mal fröhlich in die Schule gegangen. Nach einigen Monaten hatten beide nette Freunde gefunden und sie waren in ihrer neuen Umgebung gut angekommen. Dann kam Corona und das war der Anfang vom Ende einer Expatzeit zu viert in Shanghai. Wir flohen vor dem Virus nach Deutschland in dem Glauben, dass wir bald zurück kommen. Jedoch hat Corona dies aus vielerlei Gründen nicht zugelassen. Erschöpft von Hoffen auf Rückkehr und Wiederbelebung der Visa seitens der chinesischen Regierung mussten wir die Reißleine ziehen und die Zwillinge in das Internat schicken, wo die beiden älteren Geschwister schon waren. Wahrscheinlich war dies die beste Entscheidung, die mein Mann und ich mit den Kindern zusammen im letzten Jahr treffen konnten. Ich war unendlich traurig, denn mir war klar: Eine Schulmutter war ich ab dieser Entscheidung nicht mehr.
Anfang 2021
Die letzten Monate waren geprägt von Homeschooling im Hunsrück und ein großer Mangel an sozialen Kontakten. Die schottische Schule musste coronabedingt auch auf Homeschooling – wie so viele andere Schule auch – zurückgreifen. Die Schule hat eine unglaublich gute Homeschooling Zeit den Kindern geboten. Es war für alle nicht leicht und die soziale Isolation hat irgendwann Überhand genommen. Nun sind sie seit Ostern zurück in der Schule und es läuft. Mutti bestellt kräftig beim großen Online Händler und ersetzt zu kleine Schuhe und zu kurz gewordenen Hosen und auch ein Paket Süssigkeiten zur Aufmunterung darf nicht fehlen. Eine erzwungene Verlängerung der Quarantäne bei meinem ältesten Sohn brachte dann Monopoly Deluxe in die Schule und ein verrückter Freund aus Ingelheim schickte den unglücklichen volljährigen Jungs eine Kiste Deutsches Bier. Ein Highlight auch für die sehr großzügige handelnden Lehrer.
Hoffen auf den Herbst
Ich hätte nach Ostern einfach zurück zu meinem Mann nach Shanghai fliegen können, denn die Kinder waren ja jetzt zurück in der Schule. Aber emotional schaffe ich das gerade nicht, denn während Corona sind so viel Variablen, dass ich doch lieber nur 1000 km und eine Stunde Zeitverschiebung als 9000km und 7 Stunden Zeitverschiebung von ihnen entfernt sein möchte. Es hat sich gezeigt, dass ich doch mehr Anrufe von allen bekomme und ich hin und wieder auch Tränen und Traurigkeit abfedern kann zu Zeiten, in denen ich in Shanghai schlafen würde. Mutti wird nun anders gebraucht. Mein Mann ist seit März zurück in China und wir werden uns wieder mehr als vier Monate nicht sehen. Mir fehlt seine Anwesenheit, sein Rat, seine Stärke und einfach der Alltag mit ihm. Meine Hoffnung ist, dass ich nach den Sommerferien mit meinem Mann zusammen wieder nach Shanghai bis Weihnachten fliegen kann und an die ersten Monate des Expatslebens in China anknüpfen kann. Dies bedeutet allerdings, dass ich auch neue Kontakte finden muss, denn viele Kontakte sind eingeschlafen oder Expats haben turnusgemäß das Land verlassen. Es steht also wieder ein kleiner Neuanfang an. Chinesisch werden ich sicherlich aber nicht mehr lernen, denn auch da wäre ein kompletter Neuanfang notwendig.
Gefragte Beratung
Ich könnte mit meinem Wissen über das Expatleben auch eine Beratungsstelle aufmachen. In den letzten 15 Monaten habe ich sicherlich 6 Familien bei der Frage geholfen, ob sie den Schritt nach China wagen sollen oder nicht. Bei den ersten Recherchen im Netz sind die Familien oder mehrheitlich die Frauen auf meinen Shanghai-calling Blog aufmerksam geworden – das ist schön zu erleben. Die Themen waren immer ähnlich: Corona, Überwachung, Luftverschmutzung, Kinder, Schulen. Expatleben ist aber so viel mehr und ich habe ihnen immer wieder davon vorgeschwärmt, wie bereichernd das Leben im Ausland ist. Nächste Woche habe ich ein Zoom mit einem Ehepaar, das gerne meine Erfahrungen gemeinsam sich anhören möchten, nicht nur über China, sondern über das Leben als Expats im Allgemeinen. Davon habe ich genug Erfahrung, denn das Leben in Italien und Mexiko habe ich in schönster Erinnerung. Ich bin gespannt und ich helfe immer gerne. Expats untereinander helfen, den jeder war einmal im Anfangsstadium einer Entscheidung über den Tellerrand zu schauen und seine Compfortzone zu verlassen.
UPCYCLE CARDS
Mein soziales Upcycling Projekt UPCYLCE CARDS hat mich in den letzten Monaten durch eine holprige Zeit getragen. Ich tue Gutes und gehe darin total auf. Mein gestecktes Ziel, 2000 € bis Ostern für meine SOS-Kinderdorfkinder in China, Mexiko und Burundi und auch für die Deutsche Kinderkrebsstiftung zu erwirtschaften, habe ich mehr als geschafft. Ich hatte viele helfende Hände und viele freudige Kunden, die meine Briefumschläge gekauft haben. Aus alten Kalenderblättern habe ich Briefumschläge gestaltet. Kalender habe ich von Privat aber auch von deutschen Kalenderverlagen geschenkt bekommen.
Das Projekt UPCYCLE CARDS sollte eigentlich an Ostern enden, jedoch habe ich entschieden, das Projekt weiter zu führen und mich in die Welt von Social Entrepreneurship zu begeben. Ein neues Feld und für mich bis hierher schon eine Bereicherung. Liebe Leserschaft, gerne könnt ihr Euch in meinem Shop tummeln, da findet ihr Umschläge mit ganz unterschiedlichen Motiven, alles Unikate, alles Handarbeit: See, Meer, Küche, Blumen, Berge, Autos, Landschaft, Künstler, Städte, Orte, Tiere und vieles mehr. Hier ist der Link – SHOP. Wer mehr über mein Projekt lesen mag: Hier ist der Link – UPCYCLE CARDS.
Und so sehen die Umschläge aus:
Hilfe kann ich bei meinem Projekt immer gebrauchen in Form von Kontakten, die mich mit Material versorgen (Kleber, Grußkarten, Kalendern, Katalogen, Broschüren), mit Kontakten, die umfangreiche Bestellungen für den eigenen guten Zweck im Unternehmen tätigen möchten oder Kontakten zu anderen Social Entrepreneurs.
UND NUN?
Das Leben geht immer weiter, wer keine Veränderung akzeptieren möchte, der wird es schwer haben. Ich habe in den letzten15 Monaten so viele Veränderungen hinnehmen müssen, dass ich gerade erstmal keine Lust mehr auf einschneidende Veränderungen haben möchte. Das ist zu verstehen, oder?
Die Pandemie hält meine Familie und mich immer noch ordentlich in der Zange, eine Würgezange ist es nicht mehr! So nah lasse ich die Pandemie nicht mehr an mich heran. Das habe ich nun für mich entschieden.
Viele meiner Blog -Abonnenten kennen mich nun durch meine Blogs und einige kenne ich auch persönlich. Das ist schön und ich halte einen regen Austausch mit Euch. Das tut nicht nur mir gut, sondern auch Euch.
Viele Dinge, die ich im Hintergrund gerne mache habe ich in meinen Blogbeiträgen noch nicht thematisiert. Warum nicht? Ich möchte nicht prahlen und möchte auch keine Bewunderungsschreie hören. Ich tue Dinge, weil sie wichtig sind und ich sie von meiner Mutter gelernt habe.
Ich tue Gutes – ich spende – hauptsächlich für das Wohl der Kinder!
Seit der Geburt meines ältesten Sohnes 2002 habe ich ein SOS Kinderdorf Patenkind. Das Kind hieß Adrian, damals auch ein Baby. Mit der Geburt meiner weiteren drei Kindern sind drei weitere SOS Kinderdorf Patenschaften dazugekommen. Viel dieser Kinder haben längst ihr Dorf verlassen, stehen auf eingehen Beinen. So auch Adrian. Immer wieder habe neue Kinder von der Organisation zugewiesen bekommen.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich eine Patenschaft für ein Kind in einem der Zehn SOS Kinderdörfern in China übernommen. Ich las auf der Webseite: “China ist in den vergangenen Jahrzehnten zur globalen Wirtschaftsmacht aufgestiegen. Der Großteil der Bevölkerung hat einen gehobenen Lebensstandard, allerdings häufig verbunden mit einem enormen Leistungsdruck, der auch vor den Kindern nicht Halt macht. Immer wieder kommt es zu Schülerselbstmorden. Armut trifft in China vor allem Menschen auf dem Land und Angehörige ethnischer Minderheiten wie der Uiguren.“
Da war mir klar, es muss ein Kind aus der Region der Uiguren sein. Jene, die es wirklich in China nicht leicht haben. Im SOS Kinderdorf in Urumqi ist nun der quirlige Yueze mein Patenkind. Ich habe ein fröhliches Foto von ihm von der Kinderdorfmutter zu Weihnachten erhalten. Jedoch schreibt sie, dass die Pandemie für die Kinder schwierig ist.
Meinen Kindern geht es in der Pandemie im Verhältnis zu anderen Kindern in der Welt gut, sie lernen fleissig weiter im Homeschooling und werden von den Lehrer maximal gut versorgt.
Mein Helfergen hat sich bei meinen unzähligen Spaziergängen in den Hunsrücker Wäldern mit der Zeit deutlich gemeldet. Wie kann ich mehr helfen und nicht nur eine neuerliche unspektakuläre Überweisung tätigen?
Upcyling – mein neues Lieblingswort
Es entstand ein Upcycling Projekt, aus vorhandenen Materialen Neues erschaffen. Hier spielt das Thema Nachhaltigkeit natürlich auch ein. Ich möchte das Projekt hier nun gerne vorstellen und hoffe, dass viele mich unterstützen.
Ich gestalte aus alten Kalenderblättern Umschläge. Das ist nichts komplett neues, jedoch das Drumherum. Die Umschläge schneide, stanze und klebe ich in Handarbeit – das ist beim Upcycling auch nichts neues. Jedoch versehe ich die Umschläge noch mit Karten, damit es eine runde Sache wird.
Im Freundeskreis habe ich nach Kalendern gefragt, einige habe ich bekommen, aber nicht genug. So habe ich die bekannten Deutschen Kalenderverlage angeschrieben. Ich bin überwältigt von der Menge an positiven Antworten und der Hilfsbereitschaft. Ich warte nun auf Kartons mit Kalendern aus der ganzen Republik. Eine Paketladung habe ich bereits bekommen. 130 Kalender! Was wohl die anderen Verlage mir so schicken? Auch helfen mir Druckerein und spenden mit Karten, so daß ich so gut wie keine Kosten habe. Die Branding Designerin Jenny Ameta hat mir das tolle UPCYLCE CARDS Logo im Handumdrehen gestaltet. Die Social Media Agentur Die Ideen Agentur aus Mainz unterstützt mich auch. Wollen sie Geld? Nein. Sie helfen!
Und nun zu Dir …
Ich würde mich freuen, wenn Du mich unterstützt, indem Du meine Upcycling Umschläge kaufst. Alle Einnahmen gehen an meine vier SOS Kinderdorf Kinder und auch an die Deutsche Kinderkrebsstiftung, die ich – wie meine Mutter – schon sehr lange unterstütze.
Seit heute, 8. Februar 11:30 bin ich Online !
Auf www.luisegutsche.de/shop kannst du unter der Kategorie UPCYCLE CARDS meine Umschläge finden.
Hier ein paar Bilder:
Und so sitze ich im Hunsück in einer alten Mühle am großen Esstisch und gestalte, schneide, stanze, klebe und fühle mich großartig!
Ich freue mich, wenn wir uns in meinem Shop online treffen und natürlich auch, wenn Du von meinem Projekt anderen erzählt!
“Dieses Jahr wird alles besser“ – das ist der Titel vom ersten Frankfurter Allgemeine Zeitung Magazin im neuen Jahr. Eine lächelnde junge Frau ist fotografiert. Im Hintergrund ein Wandfoto, das mich an ein spektakuläres Feuerwerk erinnert und das junge Model hat Turnschuhe an. Ich denke, sie wird sicher gleich lossprinten und allen erzählen, dass dieses Jahr besser wird. Das wollen ja auch alle.
Mit dem Satz “nächstes Jahr wird alles besser“ habe ich mich durch die letzten Monate von zwanzig zwanzig geschleppt mit dem Denken: Luise, nur durchhalten, es ist bald vorbei. Naivität gemixt mit der rosaroten Brille habe ich mich – und auch andere plötzlich sehr liebgewonnene Menschen – hochgehalten. Sylvester habe ich dann auf der Terrasse mit meinem Mann und meinen vier Kindern gestanden, Champagnerglas und eine Lucky Strike in der Hand und meine Tränen liefen mir nur so über die Wangen. Jaaa, es ist vorbei. Es hat lange gedauert, bis ich mich beruhigt und einen kleinen Böller in die Hand genommen habe, den mein Sohn aus seinen Vorräten herausgezaubert hat. Er sollte in der Luft knallen, damit es so richtig schön laut ist. Hat nicht geklappt, bin dann doch ein Pyroschisser! Die Zündschnur war noch zu lang und der Böller landete im tiefen Schneetreiben. War das schon ein Omen? Der Gedanke kam und ich habe schnell einen herrlichen weiteren Schluck vom guten Tropfen genommen. Und auch eine weitere Lucky Strike war angezündet – langwährende ab und zu Laster sind im richtigen Moment doch eine Bereicherung fürs Leben.
Ich hatte Recht
Das Omen hat sich bewahrheitet. Der Lockdown ist nun verlängert und die erdachten Lockerungen des Lockdowns und der Alles ist Gut Gedanke natürlich erstmal begraben. Die Rückkehr in mein Expatleben ist um ein weiteres Mal verschoben. Mein Mann bucht zur Zeit nichts, sondern bucht nur um. Ich sollte mit ihm im Oktober schon einmal nach Shanghai zurück fliegen und er hatte mir sehr lieb ein Businessticket gebucht. Dieses ist nun herrlich dauernd umbuchbar und nix verfällt. Auch mal ganz gut!
Homeschooling
Auch der Flug der Kinder zurück in ihre Schule nach Schottland ist nun umgebucht. Die Hoffnung, dass die Internate in UK in ihrem Bubble normalen Schulalltag leben können, hat sich durch die Ankündigungen der Schottischen Regierung zerschlagen. So sind in unserer Bleibe im Hunsrück die Gartentische wieder im Haus verteilt, der Kampf mit dem WLAN wieder aufgenommen. Ich merke, dass es den Kindern leichter fällt als im Sommer, sich auf die Schule und das Homeschooling einzulassen. Die Schule gibt sich größte Mühe, ein gutes Homeschooling auf die Beine zu stellen. Sie hat einige Änderungen vorgenommen und versucht redlich, dass die Kinder dran bleiben. Auch ich bin besser geworden in der Organisation und so haben wir als Familie vom Montag bis Samstag nun einen Plan:
8:00 Uhr gemeinsames Frühstück 8:30 Uhr duschen, anziehen – keinen Pyjama! 9:00 Uhr schulfremdes Buch oder Zeitschrift oder Zeitung lesen 9:40 Uhr Unterrichtsbeginn 12:00 Uhr Mittagessen fertig. Jeder nimmt, wann er Pause hat. 16:30 Uhr wer fertig ist braucht Bewegung. Meist machen wir einen großen Spaziergang. Luft schnappen, Kopf frei bekommen. 19:00 Uhr Wir kochen zusammen, Essen mal vor der Glotze oder am Tisch. Gerade spielen wir gerne Klugscheisser oder Tabu!
Morgen geht es so gleich weiter.
Das Leben als Expatfrau
So richtig fühle ich mich zur Zeit nicht als Expatfrau, eher als eine Gestrandete in ihrem Wochenendhaus in Deutschland, die mal in die eine Richtung schwimmt und mal eine flotte Wende macht, denn in die andere Richtung schwimmt es sich leichter. Das Wenden im Wasser kann ich gut, das ist antrainiert. Jedoch ist die andere Richtung auch nicht immer angenehm, zu kaltes oder auch zu heisses Wasser, Strömungen von links und rechts. In einer ruhigen Bucht ist ein Ausruhen mal ganz gut, aber die Bewegung muss sein, damit ich nicht unterkühle. Ich treffe auf Untiefen mit spitzen Steinen. Da ratsche ich mir die Beine auf und es blutet und ich weine vor Schmerzen. Pflaster drauf und weiter. So ähnlich kann es auch anderen Expatfrauen gehen, die in der Pandemie vor vollkommen neuen Herausforderungen stehen. Ich möchte zurück in das Land, in dem ich mit meinem Mann und meinen beiden jüngsten Kindern mein drittes Expatleben begonnen habe, auch wenn es dort dann vollkommen anders ist, denn die beiden Jüngsten kommen nicht mehr mit und der Alltag dort würde ganz anders aussehen. Corona hat unser Leben nun wirklich komplett auf den Kopf gestellt, da hilft nix Beschönigendes!
Es gibt da draussen so viele Expatfrauen, die endlich mal wieder in die Heimat wollen, die Eltern, die Geschwister, die Freunde wiedersehen wollen. Sie können nicht zurück vor Sorge vor einer Infektion oder der Quarantäneverpflichtungen bei Einreise nach Deutschland oder der Quarantäne bei Rückreise ins Expatland. Besonders China hat sehr strenge Auflagen und eine Lockerung scheint nicht in Sicht zu sein.
Vielen Expatmüttern folge ich auf Instagram, die von ihrem Leben berichten und einen kleinen Einblick in ihren Alltag gestatten. Bei allem Kopf hoch und wir schaffen das höre ich doch auch immer wieder Verzweiflung und Kaftlosigkeit durch. Belastbarkeit hat eben auch eine Grenze. Bei der einen Mutter mehr bei der anderen weniger.
Hilfe annehmen erlaubt
Auch wenn Du als Leser glaubst, es ist alles einfach und Luise wird schon im Wasser nicht untergehen, sie ist doch sportlich, groß (ja ich bin 1,82cm) und hat vier Kinder groß gezogen, so muss ich sagen, dass ich Grenzen überschritten habe. Ich habe über Instagram einen tollen Coach in Frankfurt gefunden. Darüber hinaus bin in einer 14 tägigen Zoom Meeting Gruppe von Frauen, alle unterschiedlich, alle andere Berufe. Alle hören zu und wir lassen uns vom Coach leiten, ermutigen, antreiben und korrigieren. Das tut in einer solchen Pandemie mit Mann in China und Kindern in Schottland und fast kontaktlosem Leben ziemlich gut.
Shanghai-calling.de
Mein Blog war lange ruhig. Im Wasser lässt es sich eben nicht so einfach schreiben, MacBook und Wasser ist eine schlechte Kombination, was ich bitterlich im Dezember erfahren musste. Totalschaden. Das Weinglas war noch voll, denn der Wein schmeckte mir nicht. Er landete in der Tastatur. Meine Lehre daraus: Trinke keine schlechten Weine mehr, das kann teuer, sehr teuer werden! Und Blätter und Stifte sind im Wasser auch nicht so ideal. Ich habe aber nach langem Überlegen entschieden, den Blog nicht vollkommen einzustellen, sondern immer mal wieder zu schreiben bis ich tatsächlich über Shanghai und das Expatleben wieder berichten kann.
luisegutsche.de
Im Frühjahr habe ich mit meinem Word Press, Woo Commerce und Internetshop Trainer Andreas aus Wiesbaden einen Shop eingerichtet und auch meine Internetseite komplett überarbeitet. Der Weg dorthin war steinig und es rauchte der Kopf. Die Fotografieseite ist erneuert und seitdem schlummert sie leider im World Wide Web. Mein Shop ist nicht total schlecht, Verbesserungspotential ist dennoch gegeben. Optimierung habe ich vor und denke über neue Möglichkeiten nach. Einen Fotokurs für Mamis stricken? Einen Fotoblog scheiben? Oder doch endlich meine Rubrik Postkarten mit Produkten füllen? Möglichkeiten über Möglichkeiten!
Einfach dran bleiben
Als wenn es immer so einfach wäre, einfach dran zu bleiben. Aber ein Versuch ist es wert und ein Ideenbuch liegt schon bereit. Und so versuche ich an die Titelzeile aus dem FAZ Magazin zu denken: Dies Jahr wird besser!
10 Monate bin ich nun nicht mehr in Shanghai. Ich habe das Leben dort plötzlich verlassen mit dem Gedanken bald wieder dort zu sein. Wir hatten uns das Jahr anders vorgestellt. Ich wollte nur kurz vor Corona in China fliehen und wenn sich alles beruhigt wieder zurück in unser Expatleben in China. Zurück in unsere Expatstadt – Shanghai. Zurück mit den Kindern in die britische Schule. Zurück zu meiner Chinesischlehrerin. Zurück in eine pulsierende Stadt. Zurück in ein Land, dass ich mit meinem Mann entdecken wollte. Zurück nach Asien, das ich nur wenig kenne. Die Reiselust war da und viele Pläne waren bereits geschmiedet.
Alles ist anders
Ich bin nun immer noch in Deutschland, mein Mann im fernen Shanghai und meine beiden jüngeren Kinder auf einer anderen Schule in Europa bei ihren Geschwistern. 18 Jahre war ich nun Schulmutter und mitreisende Expatehefrau. Zur Zeit bin ich keine mitreisende Expatehefrau und werde wohl keine Schulmutter mehr werden. Keine Schulbrote mehr machen und keine Vokabeln mehr abfragen und keine Schulbücher im Buchladen mehr bestellen. Diese Zeit ist rum. Das ist nicht so leicht zu akzeptieren. Aber Corona hat das Leben auf den Kopf gestellt. Alle müssen sich an die neue Situation gewöhnen und das Beste draus machen. Unsere Kinder profitieren von unserer Erziehung – Selbständigkeit muss erlernt werden.
Mein Mann wuppt das Arbeitsleben in China allein ohne Familie. Mal geht er seinem Arbeitsleben ohne Murren und mit viel Elan und Erfolg nach. Mal vermisst er die Familie und das schöne Beisammensein und das gemeinsame Leben im Ausland. Mal muss er mich unterstützen, mal muss ich ihm gut zureden. Es ist ein Nehmen und Geben. Das Miteinander, auch wenn 9000 km dazwischen sind, bekommt eine ganz neue Bedeutung. Höhen und Tiefen aus der Ferne erkennen und darauf reagieren. Eine Gratwanderung.
Einige Expatfamilien betreue ich. Mütter haben mich kontaktiert, da sie meinen Blog entdeckt haben. Sie haben Frage. Grundsätzliche Fragen ob eine Entsendung jetzt nach Shanghai Sinn macht. Sie haben praktische Fragen. Sie haben Bedürfnis einfach mal mit jemandem zu telefonieren, der schon in Shanghai lebt oder der schon Auslandserfahrung hatt Ich teile gerne mein Wissen und meine Gedanken und hoffe, immer ein bisschen geholfen zu haben. Ich stelle Verbindungen her zu anderen Schulmüttern, eben solche Verbindungen, die eine Relocation Agentur nicht so unbedingt hat und die eine deutsche Personalbateilung nicht aufgebaut hat. Es tut gut, wenn ich helfen kann.
Fernweh
Das Fernweh packt mich hier im Hunsrück. Ich habe entschieden, die Stellung hier in Deutschland bis zum Ende des Jahres zu halten, denn wir wissen alle nicht so genau, was uns die Pandemie plötzlich noch so alles beschert. Nah bei den Kinder zu sein steht deutlich vor einer Rückkehr nach Shanghai. So tickt das Mutterherz und die Sorge, dass es ihnen gut geht ist von hier aus gefühlt weniger intensiv als aus einer Entfernung von 9000 Kilometern. Rational nicht klar. Aber was ist schon rational in dieser Zeit.
Um der Lage mal zu entfliehen und den Gedanken Ruhe zu geben, habe ich mir ein 1000 Teile Puzzle gekauft. Eine herrliche Entspannung und ein herrliches Eintauchen in das Suchen nach dem einen kleinen Puzzlestück. Ich hätte auch die Asterix und Obelix Puzzle der Kinder nehmen können, aber dieses hat mich begeistert. Ich bin mit dem Puzzle nämlich auf Reise gegangen. Es sind 48 unterschiedliche Sehenswürdigkeiten in der Welt verstreut. Einige sind Weltkulturerbe, einige von Stararchitekten gebaut, einige verfallen. Viele von ihnen habe ich bereist. Viele habe ich schändlicherweise noch nie life gesehen. Viele werde ich sicherlich nie bereisen, weil es schlicht weg zu gefährlich ist, dorthin zu fahren. Einige kannte ich nicht und ich habe recherchiert. Es ist doch erstaunlich, was die Suchmaschinen mit 3 Stichwörtern so alles ausspucken. Und zum Glück habe ich einen schlauen Mann, der plötzlich Gefallen daran findet, mal über anderes als Job und Corona nachzudenken in seiner Quarantäne in Shanghai.
Ich grübel schon darüber, was ich von den vielen Sehenswürdigkeiten so schnell wie möglich bereisen möchte, wenn der ganze Coronaspuk endlich vorbei ist. Ist es die Oper von Sydney? Ist es der Merlion in Singapur? Ist es der Mount Rushmore in den USA? Ist es die Hagia Sofia in Istanbul? Sind es die Pyramiden von Gizeh? Oder will ich mit meiner Familie einfach nach New York und die Freihheitsstatue von der Staten Island Ferry aus bestaunen? JA, nach Freiheit ist es mir und nach einer großen Reise mit meiner Familie. Eine Reise mit meinen vier tollen Kindern, die durch Corona ein noch engeres und verlässlicheres Team geworden sind als sie vorher eh schon waren. Eine Reise mit meinem Mann, der die Familie mit aller Kraft unterstützt wo es notwendig ist – aus der Ferne, aus unserer eigentlichen Heimat, aus Shanghai.
Ich wünsche Dir als Leser, Dir als Leserin, dass Du auch auf Reise gehst mit einem kleinen Koffer in der Hand und der Lust, Neues zu entdecken. Mach einfach mal die Tür zu und lass das Jetzt zu Hause!
Zwei Monate ist nun mein letzter Blogbeitrag her. Time flies. Zu schreiben hätte ich viel, aber die Muße und die Kraft fehlt, einen schönen Beitrag zu schreiben. Vielleicht habe ich mir auch in den letzten Wochen die Zeit nicht nehmen wollen, um über meine Situation zu berichten. Es ist und bleibt eine wirklich schwierige Zeit für mich und für meine Familie.
Ein paar Fakten
Ein paar Fakten gebe ich Euch dennoch bevor ich über etwas Schönes berichte.
wir sind alle gesund !
ich bin immer noch in Deutschland
China hat die Grenzen immer noch geschlossen
mein Visum ist ungültig
ein Zurück ist in weite Ferne gerückt
mein Mann ist 9000 km von mir weg – ein Wiedersehen ungewiss
für unsere Söhne ist das Abenteuer Shanghai beendet – sie bleiben in Europa.
China wird zunehmend kompliziert.
Ab September bin ich allein.
Shanghai is calling … aber ich komme nicht hin.
Aber nun das Schöne:
Vor einigen Wochen habe ich über die WELTFRAUEN Facebook Gruppe Stephanie Cook kennengelernt. Sie ist auch eine Expatfrau und lebt mit ihrem britischen Mann und zwei Töchtern in den USA. Stephanie schreibt nicht nur über das Expatleben, sondern hat vor einiger Zeit eine Podcast Serie begonnen. Sie interviewt Expats über ihr Leben in der Ferne aber auch über das Zurückkommen in die Heimat.
Stephanie hat mich um ein Interview gebeten. Neugierig habe ich zugesagt! Das Interview lief locker flockig über Zoom und wir haben viele Gemeinsamkeiten entdeckt.
Stephanie beeindruckt mich. Ich war sehr gerne ihre Interviewpartnerin und wenn die Zeit für ein Podcast nicht begrenzt wäre, würden wir sicherlich immer noch quatschen.
Hier geht es zum Podcast:
Stephanie Cook von Transcontinental Overload
Ja, es ist lang, aber Expatgeschichten sind auch nicht mal eben erzählt.
Auf ihrer Webseite www.transcontinentaloverload.com könnt ihr noch viele weitere Podcasts hören. Seit Kurzem hat sie auch eine Deutsche Ecke.
Für heute soll es das von mir sein.
Manchmal wünsche ich mir einen Reset Knopf und ich würde ihn zurückdatieren auf den 1. Februar 2020 – den Tag, an dem ich aus Thailand nach Deutschland vor dem Coronavirus geflohen bin und ich damals nicht in den kühnsten Träumen damit gerechnet habe, dass ich am 17. Juli 2020 immer noch in Deutschland hänge. Ich wäre viel lieber zurück nach Shanghai geflogen mit Mann und den Söhnen und wir würden das Expatleben in China in vollen Zügen leben und uns über den Besuch der beiden großen Kinder freuen.
Bleibt gesund!
Luise
Falls ihr meinem Blog folgen wollt dann meldet euch gleich an. Ich würde mich freuen.
Im Bestseller „6 Uhr 41“ von Jean-Philipp Blondel lese ich auf Seite 94: „Immerhin. Ein Wort, das ich aus ganzem Herzen hasse.“ Danach kommen weitere Sätze, die alle mit immerhin beginnen. Die Abneigung des Protagonisten zu dem Wort und zur Mutter des Protagonisten verfestigen sich. Amüsant geschrieben.
Da kam mir in den Sinn, dass ich auch Sätze mit dem Wort „Immerhin …“ beginnen könnte. Nach einigen Tagen draußen in der Maisonne im tiefen Hunsrück und vielem Nachdenken, wie ich meinen nächsten shanghai-calling Blogbeitrag gestalten soll, war immerhin zu meinem ständigen Begleiter geworden und es ist doch erstaunlich wie viele Sätze ich mit immerhin sinnig füllen kann.
Immerhin …
Immerhin bin ich gesund. Ich stehe jeden Tag auf, trinke nach wie vor meinem Pott Kaffee im Bett, wecke gesunde Kinder und bereite ihnen das Frühstück vor.
Immerhin geht es mir gut. Ich habe keinen Grund zu klagen, auch wenn ich mittlerweile gerne wieder in Shanghai wäre, denn der Alltag ist dort überwiegend zurück.
Immerhin kann ich mich frei bewegen, da wo ich bin. Wir sind im tiefsten Hunsrück, überall Wald um uns herum, Natur pur. Was gibt es Schöneres in dieser verrückten Coronazeit?
Immerhin bin ich nicht allein, mein Mann ist da. Er hat vor Ostern den großen Wunsch geäußert, uns alle zu sehen mit der Konsequenz nach der Rückkehr in eine ungemütliche 2 wöchige, von der Regierung streng kontrollierte, Quarantäne in ein Hotel zu müssen. Eine Rückkehr ist seit Ostern nicht mehr möglich, denn die Chinesische Regierung hat die Grenzen für Ausländer geschlossen. Mittlerweile versucht die Außenhandelskammer in einer groß angelegten Aktion, deutsche Führungskräfte mit einer Lufthansa Charter Maschine zurück nach China zu holen. Ob er das Glück hat, in dem Flieger zu sitzen? Die Maschine scheint zu 300 % gebucht zu sein und das Los soll am Ende entscheiden. Wir bleibe gespannt. Wenn diese Maschine nicht klappt, dann wird wes vielleicht eine weitere geben.
Immerhin haben wir keine Existenzsorgen. Vielen Menschen geht es schlecht und ich versuche, anderen zu helfen, sei es mit einem Anruf, sei es mit einem gekauften Gutschein, sei es mit einem geschenktem Essen, sei es mit einem gefüllten Umschlag.
Immerhin sind meine Kinder bei mir und nicht mehr in Schottland. Das wäre fast schief gegangen und nur mit toller Hilfe habe ich sie in die Arme nehmen können. Sie sind nun homeschooling Schüler, wie so viele auch. Das Internat gibt sich sehr viel Mühe, den Videounterricht so interessant und gut wie möglich zu gestalten und damit auch die Motivation der Kinder, daran aktiv teilzunehmen. Bisher läuft es prima. Mit Challenges sollen die Kinder zum Beispiel Kochen, Videos drehen, Kinoplakate nachstellen und immer gibt es Punkte oder kleine Auszeichnungen. Total gut!
Immerhin komme ich zu Dingen, die ich sonst nicht mache. Ich rufe alte Freunde an, räume meinen Mac auf, habe an einer Schreibchallenge teilgenommen, erweitere mein Wissen in der Bildbearbeitung und habe am Sonntag meine vollkommen überarbeitete Fotografieseite online gestellt, samt Shop. Wer Lust hat zu schauen – hier der LINK. Für mich ein Meilenstein.
Immerhin träume ich nun von guten Geschäften und neuen Kunden. Das fühlt sich gut an.
Immerhin lerne ich, mich besser zu organisieren. Alle zu Hause bedeutet, daß der Kühlschrank gefüllt, das Essen gekocht, der Haushalt gemacht sein muss. Die schulische Unterstützung für die Kinder darf nicht zu kurz kommen, auch wenn die beiden großen dies nicht mehr brauchen. Und dazu kommt noch das Bloggen und Fotografieren. Da hilft nur ein guter Plan. Mal läuft´s, mal läuft´s nicht.
Immerhin habe ich keine email – Leichen im Eingangskörbchen mehr. Ein gutes Gefühl.
Immerhin mache ich viel Sport. Es könnte natürlich mehr sein, aber dienstags und donnerstags haben wir eine feste Verabredung mit Trainer Sven und das sind 2 Stunden Zirkeltraining und Bewegung pur. Danach tut alles weh, aber das Gefühl ist gut!
Immerhin bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Glück auch ohne Materielles funktioniert.
Immerhin kann ich zunehmend über mich lachen, habe mehr Zeit zur Reflexion.
Immerhin mache ich mich nicht mehr verrückt, wann es zurück nach Shanghai geht. Wir haben entschieden, dass die Zwillinge mit uns zurück kommen und nicht schon jetzt in eine Boarding School nach Schottland zu den großen beiden Geschwistern gehen. So bin ich noch mindestens ein Jahr Schulmutti, der Konfirmationsunterricht kann wie Anfang des Jahres geplant im September losgehen.
Immerhin habe ich noch mehr Expatfrauen online kennengelernt, die auch bloggen. Der Austausch gerade jetzt in der für alle schwierigen Zeit empfinde ich als große Bereicherung.
Immerhin hat mein Mann nach 6 Wochen meinen verloren geglaubten Reisepass mit gültigen Visum und permanenter Aufenthaltsgenehmigung in meinem Wintermantel wiedergefunden. Den Pass zu verlieren wäre der GAU überhaupt gewesen. Männer können bei lebenswichtigen Dokumenten doch besser suchen als Frauen. Danke Schatz!
Immerhin glaube ich, daß unsere Gesellschaft durch Corona wieder enger zusammenrückt und jeder, wer kann, solidarischer und hilfsbereiter den Sorgenvollen gegenüber tritt.
Immerhin habe ich lange nicht mehr so intensiv die Natur erwachen sehen wie in den letzten Wochen. Da ich seit Ende Januar bis auf 5 Tage im gleichen Bett schlafe, habe ich den Azaleen und den Rhododendren beim Wachsen zuschauen können.
Immerhin habe ich eine junge Mutter beraten, die bald mit Mann und zwei kleinen Kindern nach Shanghai entsendet wird. Sie hatte so viele Fragen und ich glaube, ich konnte ihr helfen.
Noch viel Paragraphen mehr könnte ich mit Immerhin beginnen, positive wie negative Gedanken spinnen und über die Zukunft schreiben. Diese ist so unsicher, daß ich es sein lasse. Definitiv weiß ich, dass mein kleiner Thailand Urlaubskoffer aus dem Januar Ende August zurück nach Shanghai auf die Reise geht, nicht allein, sondern mit den Zwillingen. Hoffentlich können sie sich dann gut von ihren beiden großen Geschwistern trennen, die sie dann unerwartet so lange gesehen haben und fast 5 Wochen mit ihnen auf eine Schule gegangen sind.
Wie sich die Welt sonst ändert und was auf unsere Gesellschaft zukommt, das können wir jetzt schon erahnen, ich hoffe trotzdem, dass die Prognosen dunkler sind als die Realität.
Welche Sätze könnt ihr mit Immerhin beginnen? Sind sie auch so vielfältig und bunt wie meine? Wenn ihr nicht schreibt, dann könnt ihr trotzdem sage: Immerhin hat Luise mich zum Nachdenken gebracht!