Kategorie: Familie

Alles ist anders

sehenswürdigkeiten_weltweit

32. Blog am 9. November 2020

10 Monate bin ich nun nicht mehr in Shanghai. Ich habe das Leben dort plötzlich verlassen mit dem Gedanken bald wieder dort zu sein. Wir hatten uns das Jahr anders vorgestellt. Ich wollte nur kurz vor Corona in China fliehen und wenn sich alles beruhigt wieder zurück in unser Expatleben in China. Zurück in unsere Expatstadt – Shanghai. Zurück mit den Kindern in die britische Schule. Zurück zu meiner Chinesischlehrerin. Zurück in eine pulsierende Stadt. Zurück in ein Land, dass ich mit meinem Mann entdecken wollte. Zurück nach Asien, das ich nur wenig kenne. Die Reiselust war da und viele Pläne waren bereits geschmiedet.

Alles ist anders

Ich bin nun immer noch in Deutschland, mein Mann im fernen Shanghai und meine beiden jüngeren Kinder auf einer anderen Schule in Europa bei ihren Geschwistern. 18 Jahre war ich nun Schulmutter und mitreisende Expatehefrau. Zur Zeit bin ich keine mitreisende Expatehefrau und werde wohl keine Schulmutter mehr werden. Keine Schulbrote mehr machen und keine Vokabeln mehr abfragen und keine Schulbücher im Buchladen mehr bestellen. Diese Zeit ist rum. Das ist nicht so leicht zu akzeptieren. Aber Corona hat das Leben auf den Kopf gestellt. Alle müssen sich an die neue Situation gewöhnen und das Beste draus machen. Unsere Kinder profitieren von unserer Erziehung – Selbständigkeit muss erlernt werden.

Mein Mann wuppt das Arbeitsleben in China allein ohne Familie. Mal geht er seinem Arbeitsleben ohne Murren und mit viel Elan und Erfolg nach. Mal vermisst er die Familie und das schöne Beisammensein und das gemeinsame Leben im Ausland. Mal muss er mich unterstützen, mal muss ich ihm gut zureden. Es ist ein Nehmen und Geben. Das Miteinander, auch wenn 9000 km dazwischen sind, bekommt eine ganz neue Bedeutung. Höhen und Tiefen aus der Ferne erkennen und darauf reagieren. Eine Gratwanderung.

Einige Expatfamilien betreue ich. Mütter haben mich kontaktiert, da sie meinen Blog entdeckt haben. Sie haben Frage. Grundsätzliche Fragen ob eine Entsendung jetzt nach Shanghai Sinn macht. Sie haben praktische Fragen. Sie haben Bedürfnis einfach mal mit jemandem zu telefonieren, der schon in Shanghai lebt oder der schon Auslandserfahrung hatt Ich teile gerne mein Wissen und meine Gedanken und hoffe, immer ein bisschen geholfen zu haben. Ich stelle Verbindungen her zu anderen Schulmüttern, eben solche Verbindungen, die eine Relocation Agentur nicht so unbedingt hat und die eine deutsche Personalbateilung nicht aufgebaut hat. Es tut gut, wenn ich helfen kann.

Fernweh

Das Fernweh packt mich hier im Hunsrück. Ich habe entschieden, die Stellung hier in Deutschland bis zum Ende des Jahres zu halten, denn wir wissen alle nicht so genau, was uns die Pandemie plötzlich noch so alles beschert. Nah bei den Kinder zu sein steht deutlich vor einer Rückkehr nach Shanghai. So tickt das Mutterherz und die Sorge, dass es ihnen gut geht ist von hier aus gefühlt weniger intensiv als aus einer Entfernung von 9000 Kilometern. Rational nicht klar. Aber was ist schon rational in dieser Zeit.

Um der Lage mal zu entfliehen und den Gedanken Ruhe zu geben, habe ich mir ein 1000 Teile Puzzle gekauft. Eine herrliche Entspannung und ein herrliches Eintauchen in das Suchen nach dem einen kleinen Puzzlestück. Ich hätte auch die Asterix und Obelix Puzzle der Kinder nehmen können, aber dieses hat mich begeistert. Ich bin mit dem Puzzle nämlich auf Reise gegangen. Es sind 48 unterschiedliche Sehenswürdigkeiten in der Welt verstreut. Einige sind Weltkulturerbe, einige von Stararchitekten gebaut, einige verfallen. Viele von ihnen habe ich bereist. Viele habe ich schändlicherweise noch nie life gesehen. Viele werde ich sicherlich nie bereisen, weil es schlicht weg zu gefährlich ist, dorthin zu fahren. Einige kannte ich nicht und ich habe recherchiert. Es ist doch erstaunlich, was die Suchmaschinen mit 3 Stichwörtern so alles ausspucken. Und zum Glück habe ich einen schlauen Mann, der plötzlich Gefallen daran findet, mal über anderes als Job und Corona nachzudenken in seiner Quarantäne in Shanghai.

Ich grübel schon darüber, was ich von den vielen Sehenswürdigkeiten so schnell wie möglich bereisen möchte, wenn der ganze Coronaspuk endlich vorbei ist. Ist es die Oper von Sydney? Ist es der Merlion in Singapur? Ist es der Mount Rushmore in den USA? Ist es die Hagia Sofia in Istanbul? Sind es die Pyramiden von Gizeh? Oder will ich mit meiner Familie einfach nach New York und die Freihheitsstatue von der Staten Island Ferry aus bestaunen? JA, nach Freiheit ist es mir und nach einer großen Reise mit meiner Familie. Eine Reise mit meinen vier tollen Kindern, die durch Corona ein noch engeres und verlässlicheres Team geworden sind als sie vorher eh schon waren. Eine Reise mit meinem Mann, der die Familie mit aller Kraft unterstützt wo es notwendig ist – aus der Ferne, aus unserer eigentlichen Heimat, aus Shanghai.

Ich wünsche Dir als Leser, Dir als Leserin, dass Du auch auf Reise gehst mit einem kleinen Koffer in der Hand und der Lust, Neues zu entdecken. Mach einfach mal die Tür zu und lass das Jetzt zu Hause!

Tut gut!

Immerhin …. eine Zwischenbilanz

30. Blog am 15. Mai 2020

Im Bestseller „6 Uhr 41“ von Jean-Philipp Blondel lese ich auf Seite 94: „Immerhin. Ein Wort, das ich aus ganzem Herzen hasse.“ Danach kommen weitere Sätze, die alle mit immerhin beginnen. Die Abneigung des Protagonisten zu dem Wort und zur Mutter des Protagonisten verfestigen sich. Amüsant geschrieben.

Da kam mir in den Sinn, dass ich auch Sätze mit dem Wort „Immerhin …“ beginnen könnte. Nach einigen Tagen draußen in der Maisonne im tiefen Hunsrück und vielem Nachdenken, wie ich meinen nächsten shanghai-calling Blogbeitrag gestalten soll, war immerhin zu meinem ständigen Begleiter geworden und es ist doch erstaunlich wie viele Sätze ich mit immerhin sinnig füllen kann.

Immerhin …

Immerhin bin ich gesund. Ich stehe jeden Tag auf, trinke nach wie vor meinem Pott Kaffee im Bett, wecke gesunde Kinder und bereite ihnen das Frühstück vor.

Immerhin geht es mir gut. Ich habe keinen Grund zu klagen, auch wenn ich mittlerweile gerne wieder in Shanghai wäre, denn der Alltag ist dort überwiegend zurück.

Immerhin kann ich mich frei bewegen, da wo ich bin. Wir sind im tiefsten Hunsrück, überall Wald um uns herum, Natur pur. Was gibt es Schöneres in dieser verrückten Coronazeit?

Immerhin bin ich nicht allein, mein Mann ist da. Er hat vor Ostern den großen Wunsch geäußert, uns alle zu sehen mit der Konsequenz nach der Rückkehr in eine ungemütliche 2 wöchige, von der Regierung streng kontrollierte, Quarantäne in ein Hotel zu müssen. Eine Rückkehr ist seit Ostern nicht mehr möglich, denn die Chinesische Regierung hat die Grenzen für Ausländer geschlossen. Mittlerweile versucht die Außenhandelskammer in einer groß angelegten Aktion, deutsche Führungskräfte mit einer Lufthansa Charter Maschine zurück nach China zu holen. Ob er das Glück hat, in dem Flieger zu sitzen? Die Maschine scheint zu 300 % gebucht zu sein und das Los soll am Ende entscheiden. Wir bleibe gespannt. Wenn diese Maschine nicht klappt, dann wird wes vielleicht eine weitere geben.

Immerhin haben wir keine Existenzsorgen. Vielen Menschen geht es schlecht und ich versuche, anderen zu helfen, sei es mit einem Anruf, sei es mit einem gekauften Gutschein, sei es mit einem geschenktem Essen, sei es mit einem gefüllten Umschlag.

Immerhin sind meine Kinder bei mir und nicht mehr in Schottland. Das wäre fast schief gegangen und nur mit toller Hilfe habe ich sie in die Arme nehmen können. Sie sind nun homeschooling Schüler, wie so viele auch. Das Internat gibt sich sehr viel Mühe, den Videounterricht so interessant und gut wie möglich zu gestalten und damit auch die Motivation der Kinder, daran aktiv teilzunehmen. Bisher läuft es prima. Mit Challenges sollen die Kinder zum Beispiel Kochen, Videos drehen, Kinoplakate nachstellen und immer gibt es Punkte oder kleine Auszeichnungen. Total gut!

Immerhin komme ich zu Dingen, die ich sonst nicht mache. Ich rufe alte Freunde an, räume meinen Mac auf, habe an einer Schreibchallenge teilgenommen, erweitere mein Wissen in der Bildbearbeitung und habe am Sonntag meine vollkommen überarbeitete Fotografieseite online gestellt, samt Shop. Wer Lust hat zu schauen – hier der LINK. Für mich ein Meilenstein.

Immerhin träume ich nun von guten Geschäften und neuen Kunden. Das fühlt sich gut an.

Immerhin lerne ich, mich besser zu organisieren. Alle zu Hause bedeutet, daß der Kühlschrank gefüllt, das Essen gekocht, der Haushalt gemacht sein muss. Die schulische Unterstützung für die Kinder darf nicht zu kurz kommen, auch wenn die beiden großen dies nicht mehr brauchen. Und dazu kommt noch das Bloggen und Fotografieren. Da hilft nur ein guter Plan. Mal läuft´s, mal läuft´s nicht.

Immerhin habe ich keine email – Leichen im Eingangskörbchen mehr. Ein gutes Gefühl.

Immerhin mache ich viel Sport. Es könnte natürlich mehr sein, aber dienstags und donnerstags haben wir eine feste Verabredung mit Trainer Sven und das sind 2 Stunden Zirkeltraining und Bewegung pur. Danach tut alles weh, aber das Gefühl ist gut!

Immerhin bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Glück auch ohne Materielles funktioniert.

Immerhin kann ich zunehmend über mich lachen, habe mehr Zeit zur Reflexion.

Immerhin mache ich mich nicht mehr verrückt, wann es zurück nach Shanghai geht. Wir haben entschieden, dass die Zwillinge mit uns zurück kommen und nicht schon jetzt in eine Boarding School nach Schottland zu den großen beiden Geschwistern gehen. So bin ich noch mindestens ein Jahr Schulmutti, der Konfirmationsunterricht kann wie Anfang des Jahres geplant im September losgehen.

Immerhin habe ich noch mehr Expatfrauen online kennengelernt, die auch bloggen. Der Austausch gerade jetzt in der für alle schwierigen Zeit empfinde ich als große Bereicherung.

Immerhin hat mein Mann nach 6 Wochen meinen verloren geglaubten Reisepass mit gültigen Visum und permanenter Aufenthaltsgenehmigung in meinem Wintermantel wiedergefunden. Den Pass zu verlieren wäre der GAU überhaupt gewesen. Männer können bei lebenswichtigen Dokumenten doch besser suchen als Frauen. Danke Schatz!

Immerhin glaube ich, daß unsere Gesellschaft durch Corona wieder enger zusammenrückt und jeder, wer kann, solidarischer und hilfsbereiter den Sorgenvollen gegenüber tritt.

Immerhin habe ich lange nicht mehr so intensiv die Natur erwachen sehen wie in den letzten Wochen. Da ich seit Ende Januar bis auf 5 Tage im gleichen Bett schlafe, habe ich den Azaleen und den Rhododendren beim Wachsen zuschauen können.

Immerhin habe ich eine junge Mutter beraten, die bald mit Mann und zwei kleinen Kindern nach Shanghai entsendet wird. Sie hatte so viele Fragen und ich glaube, ich konnte ihr helfen.

Noch viel Paragraphen mehr könnte ich mit Immerhin beginnen, positive wie negative Gedanken spinnen und über die Zukunft schreiben. Diese ist so unsicher, daß ich es sein lasse. Definitiv weiß ich, dass mein kleiner Thailand Urlaubskoffer aus dem Januar Ende August zurück nach Shanghai auf die Reise geht, nicht allein, sondern mit den Zwillingen. Hoffentlich können sie sich dann gut von ihren beiden großen Geschwistern trennen, die sie dann unerwartet so lange gesehen haben und fast 5 Wochen mit ihnen auf eine Schule gegangen sind.

Wie sich die Welt sonst ändert und was auf unsere Gesellschaft zukommt, das können wir jetzt schon erahnen, ich hoffe trotzdem, dass die Prognosen dunkler sind als die Realität.

Welche Sätze könnt ihr mit Immerhin beginnen? Sind sie auch so vielfältig und bunt wie meine? Wenn ihr nicht schreibt, dann könnt ihr trotzdem sage: Immerhin hat Luise mich zum Nachdenken gebracht!

bleibt gesund!

Luise

Wie lange bleibe ich noch in Deutschland?

Alte Mühle im Hunsrück

29. Blog am 16. April 2020

Seit 10 Wochen bin ich nun in Deutschland. Ich bin dem aufkommenden Coronavirus damals mit meinem Mann und unseren Zwillingen aus dem Weg gegangen. Das sollte für 2 – 3 Wochen sein. Nun sind es 10 geworden. Ein Ende scheint nicht so richtig in Sicht zu sein.

Situation in Shanghai

Das Leben in Shanghai kommt seit 2 Wochen stetig zurück, die Geschäften und Märkte öffnen wieder, die Menschen kommen aus ihren Häusern raus. Vorsichtig lockern sich die Einschränkungen, denn es gibt im Land keine Neuinfektionen mehr. Diese kommen alle aus dem Ausland entweder von Chinesen, die endlich zurück in ihr Land wollen oder von Ausländern, die in China leben und arbeiten. Geschäftsreisende gibt es zur Zeit nicht, so dass sich die Gruppe der Einschlepper auf diese zwei Gruppen mehr oder weniger beschränkt. Dies hat zu drastischen Maßnahmen seitens der Regierung in Peking geführt. Die Grenzen wurden geschlossen. Nur noch Chinesen und Diplomaten können ins Land.

Eine Rückkehr der Ausländer an ihren Arbeitsplatz in China ist nun erstmal verhindert. Darunter leidet auch mein Mann gerade, der über Ostern einfach mal aus China raus musste, ein zwei wöchige Quarantäne in Kauf nehmen wollte, um dann wieder an seinem Arbeitsplatz sitzen zu können.

Nun ist sein Arbeitsplatz im Hunsrück im Gästezimmer. Er schaut ins Grüne, er schaut auf einen alten Pferdeschuppen und er wird mit Kaffee und Familie versorgt.

Glück

Ich habe Glück. Wir haben Glück. 2008 sind wir nach 3 Jahren Mexiko nach Deutschland zurückgekommen und mein Mann und ich wollten für uns und unsere damals noch sehr kleinen Kinder einen Ort haben, wo wir am Wochenende mal hin können. Wir fanden im Hunsrück unser Refugium und kauften es. Es sollte auch für den Fall dienen, wenn wir nochmal ins Ausland geschickt werden, dass wir in Deutschland für die Ferien eine Bleibe haben und wir nicht nur bei den Schwiegereltern auf der Bettkante sitzen oder wir uns eine Ferienwohnung mieten müssen. Wir haben gut daran getan, so intensiv zu suchen und haben eine wunderschöne alte Mühle von 1870 gefunden, die komplett abgelegen vom Dorf in einem Tal liegt und von wo aus wir auf ein Hirschgatter schauen. Die Hirsche fürchten uns nicht mehr vor uns. Natur pur.

In den letzten 10 Jahren haben wir unsere Mühle stetig umgebaut und verschönert und jede Ecke der Mühle so gestaltet, dass wir als Familie es wirklich schön haben und wir aber auch genügend Gästebetten für Family and Friends haben. Der Mühlenbachlauf plätschert. Die Kinder haben sich in den letzten Jahren immer darum gekümmert, dass er schön aussieht und gut fließt oder mal mit Staudämmen zum Halten gebracht wurde. Ein kleines schwedisches Saunahäusschen haben wir mittlerweile auch im Garten.

Mühle als Zufluchtsort

Dass ich hier einmal 10 Wochen am Stück wohnen würde und die Mühle als Zufluchtsort für mich und jetzt für die ganze Familie dient, daran hätte ich nun wirklich nie gedacht. Als ob der liebe Gott eine Eingebung hatte, dass wir tatsächlich irgendwann mal einen Ort brauchen, wo wir in Deutschland unter kommen, wenn wir gerade auf Auslandsentsendung sind und gerade die Welt Kopf steht. Unser Haus in Ingelheim haben wir aufgegeben, da ist gerade nichts zum Wohnen für nun 6 Personen.

Wir führen nun alle ein Expatleben im eigenen Land, das ist so absurd wie es sich anhört. Das alltägliche gewohnte Hab und Gut ist entweder in China oder in einem Containerlager irgendwo zwischen Mainz und Mannheim. Meine Lieblingskleidung ist in China und den kleinen Teil von Materiellem Hab und Gut, das ich zum Leben in der Ferne haben wollte, ist nun auch in China und nicht greifbar.

Was mir wichtig ist

Das Einzige, was mir wichtig war für mein Dasein hier, war mein Mac, den mein Mann mir nun nach 8 Wochen mitgebracht hat. Dazu kam noch meine Lieblingskette – ein Cylonsaphir in Gold eingefasst an einer goldenen Kette. Ich trage sie seit 19 Jahren täglich und habe sie für den Thailandurlaub in China gelassen, weil ich sie nicht verlieren wollte. Da ich von dem Thailandurlaub nicht zurück nach China flog, sondern direkt nach Deutschland, war die Kette in meinem Asienfluchtkoffer nicht dabei.

Ich habe gemerkt, dass das ganze Materielle nicht wirklich für Glück oder Unglück wichtig ist, dass es nicht entscheidet über einen emotional guten oder schlechten Tag, dass es zwar ein schönes Geschmücke ist, aber in der Krise hilft die schwarze, braune, grüne, beige, rote oder blaue Handtasche nicht.

Was hilft in der Ausnahmesituation?

Familie und Freunde – das sind diejenigen, die helfen, denen Du hilfst und mit denen Du dich austauschst. Besonders schön war dabei mein morgendliches Ritual – Kaffeepott im Bett und mit meiner Freundin in Mainz das Leben per WhatsApp ordnen, den Tag planen, mal ausheulen unser Dasein als Vierfachmütter beleuchten und in den Tag mit Projekten oder eben auch mal keinem Projekten starten.
Gerade haben wir das morgendliche Kaffeepott Ritual unterbrochen, das ist mal so, es kommt wieder.

Ich trinke nach wie vor meinen Pott Kaffee, mal mit meinem Mann im Bett, mal ohne. Mehrheitlich ohne, denn er ist gegen 7 Uhr schon häufig in Telefonkonferenzen mit China. Ich lese meine Lieblingszeitschrift, jeden Tag ein Artikel und ich ziehe das Wesentliche daraus. Meditation – ich habe eine tolle App gefunden! Umgang mit Wut – oh ja, ich kann wütend sein. Ungeduld – wie komme ich davon weg? Ich mag gerade solche Themen, Reflektion und Selbsterkenntnis. Ich ziehe aber auch kreative Ideen aus meiner Zeitschrift, das beflügelt meine Fotografie. Vielleicht kennt ja jemand die Zeitschrift FLOW. Ich bin gerade ein Fan.

Tägliche Rituale – Struktur

Es ist also ein tägliches Ritual, was in dieser Zeit der emotionalen Achterbahnfahrt hilft. Ich versuche Struktur in den Tag zubringen, das hilft. Besonders hilft mir mein Schreibkurs, den ich seit 2 Wochen mache. Jeden Tag um 10 Uhr logge ich mich in ein Live ein. Da lernen ich und bekomme Prompts – Schreibaufgaben für den nächsten. Ein Potpourri an Teilnehmerinnen, alle unterschiedlich, alle lustig und schreibbegeistert. Das macht Spaß.
Und jeden Tag um 11 Uhr logge ich mich in ein live Interview von Adobe Deutschland ein und höre erfolgreichen Kreativen zu. Manche Interviews interessieren mich brennend, manche passen nicht zu meinen Interessen. Um 12 Uhr ist dann der Input rum und ich bin erstmal gesättigt.

Die Fotografie hilft mir auch. Zum Glück hatte ich meine Leica von Anfang an bei mir. Jedoch habe ich in den ersten Wochen gar kein Zugang zum Fotografieren bekommen. Was sollte ich auch für Motive im Grau in Grau finden? Erst seit kurzer Zeit merke ich wieder, dass auch hier die Kräfte zurück kommen und ich meine www.luisegutsche.de Seite aufpeppe und mir meinen Wunsch erfülle, endlich einen kleinen Online-Shop zu eröffnen. Bald ist es soweit, ich werde berichten.

Die lieben Kinder

Für meine Zwillingssöhne waren die letzten Wochen auch nicht leicht, von der Britischen Schule und den Freuden in Shanghai getrennt zu sein, plötzlich wieder in Deutschland zu hocken und onlineschooling ohne Material machen zu müssen. Wir haben sie kurzerhand in die gleiche Schule wie die beiden Großen in Schottland schicken können. Sie haben dort einen geregelten Schulalltag mit sozialen Anschluss und viel Sport gehabt. Sie waren mehr als happy.

Mittlerweile sind die Schulen in Großbritannien auch geschlossen und heute sollte eigentlich der Summer Term beginnen. Nun beginnt hier im Hunsrück für alle Kinder der Summer Term mit Onlineschooling. Die Zwillinge werden das Schuljahr mit der Schottischen Schule beenden, anders ist es organisatorisch nicht zu meistern.

In unserer kleine Mühle sind nun Bierbänke und Gartentische verteilt, damit jeder einen eigenen Arbeitsplatz hat. Es wird sicherlich einiges an Disziplin von jedem abverlangt werden, dass in Ruhe gearbeitet werden kann, um nach erledigten Aufgaben raus zu gehen, eine Runde Fussball zu spielen oder doch noch mal Holz zu hacken.

Schulmutter und Schulpapa

Nun bin ich wieder vollkommen Schulmutter, schmeisse sie morgens aus den Federn, bekoche sie und helfe ihnen wenn möglich bei Aufgaben. Das Einzige, was ich nicht mehr vorbereiten muss sind die lästigen Butterbrotboxen für die Schule.
Sicherlich wird mein Mann auch mal Mittagessen kochen, das macht ihm Spaß und geht zwischen den Telefonaten sicherlich immer mal wieder.

Ich freue mich auf die fleissige Home Office und Home Schooling Zeit. Dann sind die Tage wieder mehr strukturiert und wir werden ein richtiges Wochenende haben mit langem Ausschlafen und ausgiebigem Brunch.

China ist fern

China scheint für mich ferner denn je zu sein und Deutschland die erste Wahl in der momentanen Corona Krise. Nicht leicht zu akzeptieren, denn ich vermisse die Möglichkeit, die Kultur und das Land mehr und mehr zu entdecken.

All denen, die in ähnlicher Situation sind mit Home Schooling wünsche ich gute Nerven und liebe Kinder, gutes WLAN und immer den Gedanken, dass es eine vorübergehende Situation ist.

Bleibt gesund! Luise

P.s.: Die alte Frida bewacht Haus und Hof

Die Achterbahnfahrt mit Covid-19

28. Blog am 13. März 2020

Seit dem 1. Februar steht mein Leben auf dem Kopf. Das ist nun 6 Wochen her. Ich bin mit meinem Mann und meinen beiden Zwillingssöhnen aus dem Thailandurlaub mit einem Koffer voller Sommersachen und ohne Haustürschlüssel und ohne Führerschein und ohne Bankkarte nach Deutschland vor dem Coronavirus in China geflüchtet mit der Idee, nach 2 Wochen wieder nach Shanghai zurück zu fliegen. Ich bin immer noch in Deutschland, mein Mann längst wieder in Shanghai im Büro und meine Zwillinge sind in einer Schule in Schottland, damit wenigstens sie einen einigermassen normalen Schulalltag erleben und sie nicht mit Online Schooling und wenig sozialem Austausch die Lust an der Schule wieder verlieren.

Achterbahnfahrt

Meine Achterbahnfahrt seitdem ging langsam los, das beruhigte Gefühl in der Heimat zu sein und sich in Sicherheit zu fühlen, der Anstieg der Schienen gleichbedeutend mit der Suche nach einer geeigneten Lösung für die Zwillinge, die wir in der Schule in Schottland gefunden hatten, die große Lust der Zwillinge zu den Geschwistern in die gleiche Schule zu können. Den höchsten Punkt der Schienen erlebte ich mit der Ankunft in dieser Schule, die eine unglaublich Aura und Glückseeligkeit für die Zwillinge versprühte. Dann kam der Absturz. Der Absturz für mich, mich von meinen Kinder zu verabschieden. Eine schier nicht enden wollende Talfahrt mit einer Geschwindigkeit, die mir den Atmen verschlagen hat. Ich lies all meine Kinder dort, allein im Auto, mein Mann 9000 km entfernt und der Gewissheit, dass ich nun erstmal alleine war. Seit 18 Jahren keine Kinder um mich herum, kein Umsorgen, kein Kochen, kein Frühstück machen, keine Wäsche waschen. Ruhe, gespenstische Ruhe in unserem kleinen Haus im Hunsrück.

Ich habe mich mit viel Kraft und gutem Zureden an die Situation gewöhnt und immer in dem festen Glauben, dass es besonders für die Zwillinge in der Coronakrise der beste Ort ist, um einen Schulalltag zu erleben. Die neu gewonnene Freiheit ist plötzlich und unvorhergesehen Für mich da. Fokus auf mich, auf Luise und nicht auf Mami und Schulmutter. Ein komisches Gefühl und eine nicht enden wollende Talfahrt der Achterbahn vor Augen. Anstatt Dinge zu machen, die ich schon vor Augen hatte mit dem Tag, wo die Kinder aus dem Haus sind, habe ich eher nichts Produktives gemacht, sondern an willenlosen Tagen 3 Spielfilme hintereinander geschaut. Ohne schlechtes Gewissen. War ja keiner da zum Kümmern und war ja keiner da, der mich regulieren hätte können. Dabei habe ich unwissentlich Energie getankt und die Talfahrt der Achterbahn ging zu Ende und der neuerliche Anstieg mit Kurven und Hochs und Tiefs nahm seinen Lauf. Plötzlich habe ich viele Freundinnen besucht und auch Kontakt zu einer alten Bonner Unifreundin wieder aufgenommen. Ich hatte plötzlich zu so etwas Zeit. Ein Hoch der Gefühle und der Zufriedenheit. Aber die Achterbahn hat irgendwann seinen höchsten Punkt erreicht und nun geht die Talfahrt seit gestern wieder los.

Deutschland ist Risikoland für China

Mein Mann wird zu den Osterferien nicht nach Deutschland kommen, da Deutschland nun für China ein Risikoland ist. Dies bedeutet, dass mein Mann bei seiner Rückkehr nach Shanghai in eine 14 tägige häusliche Quarantäne gehen muss. Das ist mit seinem Job nicht zu vereinbaren. Und auch die Kinder werden nicht wie geplant nach Deutschland in ihren Osterferien nächsten Freitag kommen, denn die Lage spitz sich in Deutschland zu. Wer weiss schon, ob die Grenzen geschlossen werden und wer weiss schon, wie sich die Lage verändert. Schottland ist zur Zeit noch ein recht sicheres Land und die Hoffnung, dass nach den Osterferien ein normaler Schulbetrieb wieder läuft, scheint gegeben zu sein. Welch Achterbahn der Gefühle. Eine massive Talfahrt mit scharfen Kurven und leichten Anstiegen. Ein gerades Fahren, ein seichtes Fahrwasser, eine unaufgeregte Lage kenne ich seit 6 Wochen nicht. Ein Wunder, dass ich nicht krank geworden bin, denn mein Körper und mein Geist leisten Rekorde.

Schottland – Bubble mit geringer Gefahr

Ich bin glücklich und entscheide, dass ich nun nach Schottland fliegen und mein Mann für wenigstens ein paar Tage dazustößt, so Gott will. Ich bin fest entschlossen, ein schönes kleines Cottage zu mieten und mir mit der Familie eine richtig gute Zeit zu gönnen. Ich bin happy. Ich versuche, anderen Eltern zu helfen und werde ihre Kinder in dem Häuschen mit aufnehmen. Dann habe ich einen Hühnerhaufen voll schnatternder Kinder und endlich kann ich wider 20 Brötchen zum Frühstück kaufen!

Der Lauf der Dinge und die Schnelligkeit der neuen Ereignisse trüben mein Vorhaben, denn nun schließen Dänemark und Polen ihre Grenzen. Schliesst nun Großbritannien auch seine Grenzen? Kann es sein, dass ich gar nicht nach Schottland komme? Kann es sein, dass ich dann für längere Zeit meine Kinder nicht sehen kann? Muss ich sie doch nach Deutschland holen? Wenn ja, muss ich hoffe, dass die Flüge nicht storniert werden. Soll ich mich morgen mit dem Auto direkt nach Schottland aufmachen? Ist der Tunnel von Calais nach Dover noch geöffnet?

Diese Gewirr aus Gedanken ist so dermaßen anstrengen, dass ich trotz wenig Sport und ständigem Essen sogar abnehme.

Der Schaffner

Mancher liebt die Achterbahn und den Kick der Geschwindigkeit und dem zwischenzeitlichen Gefühl der Schwerelosigkeit gepaart mit Schwindel und Panik. Ich saß noch nie in einer Achterbahn, denn ich würde 1000 Tode sterben. Nun habe ich meine ganz persönliche Achterbahn und ich würde so gerne auf einen Notknopf drücken, weil mir die Geschwindigkeit zu hoch ist und die Panik und der Schwindel einfach nicht gut tut. Aber ich bin nun Passagier in dieser Achterbahn, das Ticket war kostenlos. Der Lokführer ist nicht ansprechbar. Jedoch gibt es einen Schaffner, dem ich ins Mikrofon brülle und der mich unterstütz indem er sagt, dass die schlimmsten Kurven und Anstiege und besonders die Talfahren vorbei sind. Ich traue ihm nicht, obwohl ich die Stimme kenne und ich ihr traue. Jedoch glaube ich, dass die Fahrt noch lange anhält und ich noch an die Stelle mit den Loopings komme. Ich hoffe, dass ich das durchhalte und alle gesund bleiben.

Deutschland und die Achterbahnfahrt

In Deutschland beginnt nun erst die Achterbahnfahrt. Die Schulen sind für 5 Wochen geschlossen. Alle Familien mit schulpflichtigen Kindern müssen sich auf die neue Situation einstellen. Sicherlich nicht leicht. Es werden Entbehrungen entstehen und schier unüberwindbare Probleme. Aber irgendeine Lösung wird es immer geben. Der Vorteil für die Familien ist, dass sie nicht wie ich auch noch Geflüchtete sind aber sie vielleicht Vorteile nicht geniessen, die ich in den letzten Woche habe greifen können. Aber auch diese fallen nicht einfach so vom Himmel. Und ich denke an die viele Ärzte, die zu Höchstleistungen verpflichtet sind und die sich Corona Verdachtsfällen Immer wieder ausgesetzt sind. Und ich denke an die vielen Großeltern, die helfen wollen aber nicht sollen. Achterbahnfahrten wohin ich nur denke!

Bleibt alle gesund und flogt auch im Chaos meinem Leitspruch für das Jahr: BE ALWAYS HAPPY!

Luise !

Als Expatkind sich in Shanghai zurecht finden

Titelfoto 24. Blog

23. Blog am 4. November 2019

Seit fast 3 Monaten sind wir nun wieder eine Expatfamilie, die 9000 km von der Heimat entfernt wohnt. Zwei unserer Kinder sind in Europa geblieben und gehen auf eine Boarding Schule im Norden Schottlands. Der Älteste geht dort schon im dritten Jahr zur Schule und unsere Tochter seit 3 Monaten. Beide fühlen sich dort sehe wohl. Beide sind keine Kinder mehr, sondern Jugendliche oder vielleicht schon junge Erwachsene. Sie gehen ihren Weg nun meist alleine weiter. Sie kennen den Weg, denn wir sind mit ihnen diesen Weg 15 Jahre gemeinsam gegangen. Auf diesem Weg begegnet ihnen Selbständigkeit, Verantwortung, Familienbande, soziale Fürsorge, Engagement für andere, Sport und die Neugierde für Neues, was nicht in der Comfortzone zu finden ist. Das ist nicht immer leicht für die Kinder und für uns als Eltern. Sie sind aber am perfekten Ort, um diese „OCE – out of classroom education“ in einer internationalen Umgebung zu lernen. Ich gebe zu, dass ich auch gerne noch einmal 15 wäre und diese Erfahrung gerne gemacht hätte. Es war eine andere Zeit und ich habe mein Großwerden in meiner kleineren Welt genossen.

Third Culture Kids – TCK

Unsere 12 jähringen Zwillingssöhne Johann und Philipp sind mit uns nach Shanghai gekommen. Sie werden nun als Third Culture Kids – TCK – tituliert. Warum heisst es nun third culture Kids? Die beiden haben 11 Jahre ihres Lebens in ihrem Heimatland gelebt, in Deutschland als Deutsche mit ihrem deutschen Eltern. Dies ist die sogenannte First Culture. Nun leben die beiden in einem Land, das sie nicht kennen und vollkommen neu für sie ist. Das ist die Second Culture. Beide wachsen jetzt in einer Mischung aus beiden Kulturen auf, jedne, die wir ihnen als Eltern vorleben und die sie gewohnt sind und jene auf die sie nun treffen. Und eben jene Mischung ist nun die Third Culture. Es gibt viel Literatur über das Dasein der Third Culture Kids, ein sicherlich nicht einfaches Thema.

Sorge um das Einleben der Kinder

Mit dem Moment der Entsendung meines Mannes nach China haben wir Eltern uns Gedanken darüber gemacht, wie wir den „Kleinen“ das Einleben in einer vollkommen anderen Kultur und einer anderen Schule erleichtern können. Die Wahl der Schule fiel auf die British International School of Shanghai.
Zwei Gedanken kamen mir. Lernen über die Kultur und mehr Vertrauen finden in der englischen Sprache. Einen ganzen Tag lang haben sich die Kinder auf die Chinesische Kultur vorbereitet. Das ist nicht viel, aber ein paar Gepflogenheiten, Informationen über Land und Leute und vor allem wie Kinder dort groß werden haben sie gelernt. Das Leben der Kinder in China ist geprägt von Lernen, Lernen und nochmals Lernen. Das „Spielen am Nachmittag mit den Schulkameraden“ kam hier nicht vor. Dies zeigt sich nun tatsächlich hier im Alltag.
Noch wichtiger empfanden wir Eltern das sicherere Umgehen mit Englisch, denn es war uns klar, dass dies ihre Alltagssprache werden würde. Eine Englischlehrerin kam einmal in der Woche und hat mit ihnen das Englisch-Sprechen geübt. Das fällt in deutschen Schulen vollkommen hinten runter, vielleicht weil die Klassen zu groß sind und der einzelnen Schüler zu wenig Möglichkeit hat das Erlernte mal auszusprechen oder weil der Fokus zu sehr auf die Grammatik gesetzt wird. Ich weiss es nicht. Rückblickend war das die beste Investition! Die beiden kamen hier in der Britischen Schule an und haben einfach den Mund aufgemacht und gesprochen, wie ihnen der Schnabel gerade nach war. Holprig manchmal, zum lachen komisch und nach 3 Monaten wechseln sie zwischen den Sprachen ohne jede Mühe.

Mitspracherecht? – Fehlanzeige!

Dein Zuhause zu verlassen ist schon für uns als Erwachsene nicht leicht. Viele Familien wagen erst gar nicht den Schritt, sondern lehnen eine Entsendung ins Ausland ab, weil sie viele gute Gründe für sich finden, um es nicht zu tun. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Kinder haben keine Wahl, sie haben kein wirkliches Mitspracherecht, auch wenn wir ihnen es suggeriert haben. Sie folgen den Eltern und müssen sich mit der Entscheidung, dass sie nun wegziehen, dass sie nun Deutschland verlassen, dass sie nun kein Fussball mehr bei TUS Wackerheim mehr spielen können, dass sie den besten Freund Marc verabschieden müssen, abfinden. Das war nicht leicht und ist es auch nach 3 Monaten nicht. So war für mich als Mutter die Herausforderung extrem groß, dass die beiden sich hier gut einleben.

Wahl der Schule – ein Glücksgriff!

Gute ankommen, sich schnell wohlfühlen, Freunde finden – das sind sicher 3 wichtige Punkte. Da die Kinder den ganzen Tag in der Schule sind, war der Dreh- und Angelpunkt für die beiden ihre Schule. Die Entscheidung für eine Britische Schule war lange gefällt, jedoch kommen natürlich immer Gedanken, ob die beiden es schaffen würden. Beide sind verteufelt vom lieben Gott mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche. So hatten wir in Kasse 5 und 6 auch sehr damit zu kämpfen und haben alles versucht, Tränen liefen dennoch und die Kooperation von Lehrern, das Bestmögliche für die beiden zu finden, blieb immer wieder aus und bei uns Eltern entstand ungläubiges Staunen.

Die britische Schule ist sicherlich fokussiert auf ausländische Kinder, auf die third culture kids. Dennoch kommen auch viel Chinesische Kinder auf die Schule, wobei hier ein Elternteil ausländisch sein muss. Die Schule ist voller unterschiedlicher Nationalitäten und der Anfang war geprägt von freundlichen Lehrern, guter Organisation und überall helfenden Händen. Schuluniform war auch schnell gekauft und eine Identifikation mit der Schule dadurch sehr schnell gegeben. Dies hätte ich nicht gedacht. Aussehen wie alle und nicht erst abwägen müssen, was cool ist und was an Klamotte bei den neuen Klassenkameraden ankommt. Nein, alle haben eine graue Hose an und alle ein weißes Hemd und alle schwarze Socken und alle schwarzen Schuhe und alle eine Schulkrawatte. Keine Ausnahme! Nicht auffallen durch uncoole Klamotten – wie super ist das bitte!!

Jeden Morgen ist Abfahrt mit dem Schulbus um 7:24 Uhr. Keine Ausnahme. Rückkehr 16:30 Uhr oder 17:30 Uhr, abhängig von den ECAs. ECAs sind Extra Curriculum Activities, die sich die Kinder aus einer lange Liste aussuchen können. Die Wahl fiel auf Fussball, Leichtathletik beim Olympiasieger, Chinesischer Kochkurs, Junior Enterprise. So sind die Tage gefüllt, lang, anstrengend und danach sind noch Hausaufgaben. Eine Herausforderung.

Warum machen die Kinder das mit?

Die Schule schafft es, mit kleine Dingen meine Kinder für die Schule zu begeistern. Sie arbeiten mit kleinen iPads, sie bekommen die Hausaufgaben per email, die Eltern auch. Sie bearbeiten Aufgaben auf dem iPad, es gibt extra Übungen mit direkter Kontrolle. Die Schule hat ein Belohnungssystem, für gute Mitarbeit gibt es einen Aufkleber, für gute Hausaufgaben gibt es Aufkleber, die werden gesammelt im Hausaufgabenheft. Die Fürsorge für die Kinder ist da und auch die LRS der Kinder wurde mit in ihren Lehrplan mit aufgenommen, extra Zeit bei Test ist keine Schwierigkeit. Und auch der Umgang unter den Kinder ist nett, auch wenn es manchmal raffig zu geht, der Ton ist an der Schule wichtig! Die Schule hat eine eigene Schul-App, eine Erleichterung für alle und bietet ein enorme Transparenz.

Meine Kinder hatten Schulpaten, die sich in den erstem Wochen um die beiden gekümmert haben. Bei Philipp ist daraus auch eine tolle Freundschaft entstanden, auch ein Philipp und auch Fussballfreak. Sicher von der Schule im Vorfeld gut gewählt! Johanns bester Freund ist halb Portugiese, halb Brasilianer, hat schon in 5 Ländern gelebt und ist Diplomatenkind. Eine intensive Freundschaft, wie ich sie nach 3 Monaten nicht erwartet habe und die sicher ein Leben lang halten wird. Welch Glück!

Die Kinder gehen gerne in die Schule — ja, gerne! Beide haben nach 6 Wochen ein Zwischenzeugnis erhalten, wo eines nur aus As bestand und das andere aus meist As und ein paar Bs. Wahnsinn! Johann hat sogar eine „Prinzipal´s Commendation for outstanding academic effort in August and September“ – vieles habe ich mir vorgestellt, das nun wirklich nicht! Was macht die Schule anders? Es ist mit Sicherheit eine Kombination aus Internationalität der Kinder, besondere Fürsorge und die totale Begeisterung der Kinder für die Fächer gepaart mit einem einfachen Belohnungssystem. Ich will nicht verschweigen, dass es eine Privatschule ist, aber auch diese müssen es erstmal schaffen, Kinder richtig zu unterrichten und für das Lernen zu begeistern.

Mamas Fürsorge

Meine Fürsorge besteht darin, für die beiden nach einem langen Schultag da zu sein, zuzuhören und bei den Hausaufgaben zu helfen. Oftmals warten die beiden auf Papi, der auch gerne hilft und ihnen ein sicherer Hafen ist.
Es musst duften, wenn sie durch die Haustür im 36.Stock platzen. Kuchen, Quiche, Pizza, Pfannkuchen, Würstchen, Dumplings, Sandwich — irgendwas muss zum sofortigen Verzehr da stehen, sonst habe ich schlechte Karten! Das mache ich natürlich gerne, ein gemeinsames Mittagessen wie in Deutschland fällt ja weg, so gibt es ein frühes Abendbrot, das dann um 20 Uhr nochmal wiederholt wird.

Freunde in Deutschland

Die Freundschaften in Deutschland bestehen natürlich weiterhin, wie ich vermutete sind es bei jedem 2 Freunde, die den Kontakt halten, denn oftmals ist das „aus dem Auge aus dem Sinn“ bei Kindern schnell gelebt. Der nächste Deutschland Besuch der beiden wird erst im Dezember sein, dann werde sie sicher ihre Freunde treffen und von China berichten.

Dankbarkeit

Ich kann gar nicht so richtig in Worte fassen, wie dankbar ich bin, dass unsere beiden kleinen Expatkids so gut in China angekommen sind und sie keinen Tag bisher geweint haben und dass sie auch nicht jammern, sie wollten zurück. Es ist für beide ein neuer Lebensabschnitt, den sie als Zwillingsbrüder gemeinsam gehen und der sie gemeinsam stark macht.

Heut morgen sind ihre beiden großen Geschwister nach 2 Wochen Ferien wieder zurück nach Schottland geflogen. Die vier Geschwister sind ein gute Team, jeder hat seine Stellung, der große aus Vorreiter, die Schwester als mutige neue Internatlerin und die Zwillinge als Team und manchmal als duo infernale, das auf die beiden großen heraufblickt und sie vermisst haben.

Es klingt so leicht und dennoch ist es eine Herausforderung vier glückliche, zufriedene, gesunde und offene Kinder zu haben.

Liebe Grüße – ich habe erstaunlicherweise beim Abschied der Schotten nicht geweint. Auch ich werde groß!

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Hier meine letzten fünf Blogbeiträge:

Der Countdown läuft – Die Abreise nach China kommt immer näher

19. Blog am 3.Mai 2019

Der Flug nach Shanghai und damit der Umzug nach China ist gebucht. Ende Juli startet unser Abenteuer China. Viele könnten jetzt meinen, das es noch lange hin ist, aber time flies und das Expatleben 3.0 rückt immer näher und das Leben hier ändert sich stetig Richtung Abreise. Das Umzugsunternehmen ist ausgesucht und der Termin für die Vorbesprechung steht. Die Auszugswoche ist fix und mein Mann hat dafür seinen Flug von Shanghai zu uns gebucht.

Was kann aus dem Kleiderschrank entsorgt werden?

Leider ertappe ich mich bei jedem Schrank, den ich öffne, dass ich darüber nachdenke, was ich von all den Dingen darin wegschmeissen, verschenken oder umsortieren kann. Nichts mache ich mehr ohne Hintergedanke: „Luise, brauchst Du das noch? Willst du das wirklich behalten? Wann hattest Du diese Schuhe zum letzten man an? Passt die Hose noch? Oder ausser Mode geraten?“ Diese Gedanken können zuweilen sehr anstrengend sein, denn mal eben was aus dem Schrank holen, klappt gerade nicht mehr. So lasse ich den Schrank entweder zu und ziehe die Sachen von Vortag mit kleinen Änderungen einfach nochmal an oder wuseln durch den Schrank mit allen Konsequenzen.

Was kann in meinem Büro entsorgt werden?

In meinem Büro, wo ich jeden Tag am Schreibtisch sitze und arbeite oder Ablage mache oder Papierkram erledige, ist nichts mehr vor meinem kritischen Blick sicher. Auch hier mache ich nichts ohne Hintergedanke: “ Luise, brauchst Du diese vielen Kugelschreiber noch? Was ist mit den vielen alten Fotozeitschriften? Was mache ich mit den unzähligen Bestellkatalogen? Können die süßen, liebevoll gestalteten und geschriebenen Weihnachtskarten von 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 nicht weg? Was liegt Dir wirklich am Herzen? “ Und dann gibt es unzählige Ordner, die in die Unizeit zurückgehen. Ja, das ist mein Leben und das meines Mannes. Aber schauen wir da nochmal rein? So aus nostalgischen Gründen? Soll ich einiges abfotografieren und auf meinem Mac online speichern? Dann hätte ich es auch in Shanghai, wenn mir plötzlich danach ist, meine Matrikelnummer aus der Humboldtuniversität nachzuschlagen? Es hörst sich trivial an, aber grundsätzlich ist die Frage, was alles durch das Leben geschleppt werden muss und was Ballast ist oder ob ein Ausdünnen nicht auch ein Stück Zufriedenheit und Freiheit mit sich bringt. Ich bin ehrlich gesagt gerade ein Fan von Ausdünnen und Loslassen. Dabei schlage ich in der Aufräumbilbel von Marie Kondo gerne auf und ahme nach.

Was kann in den Kinderzimmern entsorgt werden?

In den Kinderzimmern lüften sich behutsam aber stetig die kruscheligen Ecken der Kinder mit Lego, Playmo, Nerf und Co. und auch vermisste Butterbrotdosen finde ich in der Sockenschublade oder auch unter dem Bett hinter den unzähligen Schatztruhen. Auch hier fragen ich die Jungs: Brauchst Du das wirklich noch alles? Können wir nicht bitte einen Teil wegschmissen oder verschenken? Bist du nicht aus dem Alter raus? Kann Deine Kindergarten-St. Martin-Laterne von 2012 nun mal weg? Welche Kuscheltiere bekommen einen anderen Bestimmungsort? Momentan noch schwierige Entscheidungen. Sie sind zu vergleichen mit dem Uniordner und meinen Fotozeitschriften. Sie waren halt schon immer da und die Laterne ist Teil eines noch jungen Lebens. Also nicht poltern, Luise, sondern gut gelenkt argumentieren und am Ende doch nicht viel wegschmeißen, da die Kulleraugen zu groß werden. Und dann ist das auch ok.

Was kann in der Küche entsorgt werden?

In der Küche bemerke ich, dass ich mit immer den selben Küchenhelfern koche und viele Töpfe einstauben oder ich nur den schwarzen Pfannenwender in der Hand habe und nicht den grünen oder den hölzernen. Warum eigentlich drei haben? Und beim genauen Hinsehen sind die Hälfte der Gewürze schon längst abgelaufen, weil sie zu exotischen Gerichten gekauft wurden und danach ein trauriges Dasein in der Gewürzschublade geführt haben. Also auch hier: Sei mutig, sei stark und trenne dich von Ballast. Den Pannenwender von meiner Mama, den ich bei der Haushaltsauflösung erbeten habe und der eigentlich schäbig ist, kommt nicht weg, daran hängen so viele Erinnerungen und gemeinsame Tochter-Mutter-Kochstunden. Dieser Wender bleibt und der lächelt mich immer mal an und dann kommt ein netter Gedanke über meine Mutter. Sehr wichtig!

Mein Vorratsregal im Keller lichtet sich und ich bemerke, wieviel es eigentlich ist und wie lange es dauert, 6 kg Zucker zu verbrauchen und der Tiefkühlschrank endlich mal leerer werden muss. Am Ende geht Vorrat doch recht schnell weg, konsequentes, reduziertes Einkaufen führt dazu, dass auch mal der Doseneintopf gegessen wird und ich mich wundere, warum die Dose so lange im Keller stand. Schnell zubereitet, schnell verfeinert und einfach lecker.

Welche Verträge muss ich alles kündigen?

Und dann kommt da die Liste der Kündigungen, die ich Stück für Stück seit ca. 2 Wochen abarbeite. Ich merke, dass ich mich nicht mit Hau-Ruck von Allem direkt lösen kann. Die Musikschule habe ich bereits gekündigt und es tat mir schon leid, denn seit 11 Jahren habe ich dort diverse Musikkurse für mich und meine Kinder belegt und es war eine tolle Zeit. Vom Musikgarten über Gitarre, Flöte, Klavier, Saxophon und Horn haben wir wechselnde Lehrer und Kurse belegt. Dies hat nun im Juni sein Ende. Und dann sind da die Sportvereine, die Zeitschriftenabos, das Telefon, der Kabelanschluss, die Milchlieferung. Nach den Osterferien werde ich auch die Abmeldung von der Schule angehen. Dann sind alle vier vom Städtischen Gymnasium weg und wir finden die Kinder auf internationalen Schulen wieder. Wahrscheinlich wird es für meinen Mann und mich dann auch nie eine feierliche Abiturfeier samt Abiball in Deutschland geben, sondern irgendwo da draussen, mit Sicherheit schon mal in Schottland. Auch an diesen Gedanken gewöhne ich mich langsam.

Pause! Ja, die brauche ich!

Jeder versteht glaube ich, dass ich immer mal wieder Abstand von diesem Organisationswahn brauche und so waren wir in den Osterferien 8 Tage in Shanghai. Aber davon berichte ich in einem nächsten Blog. Ich kann nur jetzt schon einmal sagen, dass es einfach nur schön war und ich mit vielen tollen Fotos zurückgekommen bin und ich eine liebe Freundin wiedergetroffen habe, die ich seit unserer Hochzeit vor 20 Jahren nicht mehr gesehen habe. Es schien wie gestern!

Luise!

Wie Kinder auf eine Auslandsentsendung reagieren

17. Blog am 21.3.2019

Meine Familie und ich leben ein ziemlich schönes Leben in Ingelheim. Die Stadt ist klein, überschaubar und vieles ist mit dem Fahrrad zu erreichen. Zugegeben die Stadt ist in weiten Teilen nicht schön, sie ist verschlafen und die Anzahl an netten Restaurants ist wirklich überschaubar. Jedoch liegt sie im schönen Rheinhessen und der Weg in die Weinberge ist nicht lang. Ingelheim liegt am Rhein zwischen Mainz und Bingen und es ist herrlich, am Rhein mit dem Hund spazieren zu gehen, dabei den großen Frachtern zuzuschauen, die entweder gegen die Stömung ankämpfen oder mit der Welle gen Nordsee flott an mit vorbeiziehen und den Gedanken freien Lauf zu lassen.

Für unsere 4 Kinder ist die Stadt prima, zur Grundschule sind alle mit dem Fahrrad gefahren und zum Gymnasium lohnt es sich nicht, die Fahrräder aus der Garage zu holen, denn es ist ein Katzensprung und per Pedes ist es einfach viel schneller. Zur Musikschule lohnt nur der Roller. Nur der Weg zu unserem idyllischen Golfplatz mitten in Rheinhessen ist eigentlich nur mit dem Auto flott erreichbar. Hier sind wir alle viel und gerne und meine Kinder, besonders die älteren beiden, haben den Weg in die Spitzenförderung des Landes eingeschlagen wie ich einst als ich ein Teenie war.

11 Jahre Schulmutter – du erlebst viel

Die Schule gefällt Kindern mal mehr mal weniger, mal sind die Lehrer doof, ungerecht oder haben langweilige Themen auf dem Programm. Auch können die Mitschüler und Freunde mal doof, gemein oder unzuverlässig, nervig neugierig oder pubertär sein. Alle Facetten habe ich als Mutter in meinen bisher 11 Jahren als Schulmutter erlebt. Die Kinder haben ihre Stärken und Schwächen und unsere Kinder sind schulisch alle unterschiedlich. Ich merke klar, dass Du mit schulisch guten und sehr guten Kinder so durch die Schule schwimmst und alles ist gut. Ich merke aber auch, was es heisst, Kinder unterstützen zu müssen, die um gutes Mitkommen in der Schule jeden Tag kämpfen müssen und von Selbstzweifeln geplagt sind. Da sind Lehrer, die darauf sehr dosiert und gut eingehen und da bin ich dankbar. Aber es gibt auch die sogenannten Stinkstiefel, die das Leben der Kinder schwer machen, weil sie nicht auf die Kinder eingehen wollen oder ein extra ausgearbeiteter Test nur Arbeit verursacht. Schade, dies zu beobachten am größten Gymnasium in Rheinland-Pfalz. Als Eltern sind dir die Hände gebunden, denn bis zum Schultor kannst du sie behüten, dann müssen sie allein kämpfen. Aber wir haben gelernt zu kämpfen und das macht die Kinder nur stark fürs Leben, das immer wieder von spitzen Ellbogen geprägt ist.

Wenn ich das so alles schreibe, dann bemerke ich, dass vieles schön ist für unsere Kinder aber auch nicht immer rund läuft. Da sind wir allerdings kein Einzelfall, das ist in jeder Familie in irgendeiner Form der Fall.

Alles ändert sich mit meinem ja zum Ausland 3.0

Nun steht eine erneute Auslandsentsendung meines Mannes an und dieses mal müssen wir eine Teenie Tochter und und zwei zwölfjährige umtopfen. Der älteste ist seit mehr als einem Jahr umgetopft und glücklich in Schottland in einer tollen Schule.

Das behutsame Vorbereiten, dass es sein könnte, dass Papi einen Job im Ausland bekommt , haben wir längst hinter uns, jedoch war es gut, dies so behutsam zu machen, denn uns war nicht klar, wie die Kinder auf einen Schulwechel, Ortswechsel, Landwechsel und Kontinentwechel reagieren. Rückblickend hat das gut funktioniert und nun sind wir mitten drin. Mein Mann schon seit Januar im Job und ich ziehe mit den Kindern bald hinterher. Die Fragen waren vielschichtig, was das alles zu bedeuten hat und wie das alles geht und welche Schule es sein soll und was die Freunde sagen. Ich bin bisher nur mit Kleinkindern ins Ausland gezogen und das war ein Leichtes.

In keinem Buch steht, wie Kinder auf eine Auslandsentsendung reagieren

Es ist schwierig für Kinder, denn es ist eine Achterbahnfahrt, die von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt geht. Dies aufzufangen, bedarf viel Kraft und viel Zeit und bedarf besonderer Maßnahmen. Damit meine ich eine Wohlfühlathmosphäre zu schaffen, die geprägt ist von immer leckerem Kinderessen, abends auch gerne vor der Glotze und immer, wirklich immer Zeit haben für die vielen Fragen. Ich bemühe mich, jede noch so für mich kleine Frage so zu beantworten, dass die Jungs damit etwas anfangen können. Für unsere Tochter ist das alles weniger problematisch, da sie sowieso nach der 9. Klasse ins Ausland gehen wollte wie ihr Bruder. Sie wird nicht mit uns nach Shanghai ziehen, sondern ihren Weg in Schottland machen. Der Halt durch ihren Bruder ist da, jedoch sind mein Mann und ich 9000 km entfernt, das kann schon mal eine Gefühl von Unwohlsein verursachen. Ob ich mit 14 Jaren, dies gemacht hätte? Ich bin mir nicht sicher. Meine Eltern haben ihre 4 Töchter immer zur Selbständigkeit erzogen, aber als Nesthäkchen war ich schon ein wenig verhätschelt. Wir haben unseren Kindern die Selbständikgkeit als hohes Gut immer wieder in unsere Erziehung einfliessen lassen. Hoffentlich macht es sich jetzt in dieser Extremsituation bezahlt.

Mit 11, fast 12 Jahren, ist die Selbständigkeit noch nicht so ausgeprägt, so dass mein Fokus sehr auf dem Zwillingen liegt. Ja, sie haben mit Bauchschmerzen reagiert, immer wieder sind sie vorzeitig aus der Schule nach Hause gekommen. Mir war nach einer Weile klar, dass es keine Magenverstimmung und auch kein Magen-Darm Virus war. Der Umzug, der Wandel ist ihnen einfach auf dem Magen geschlagen. Die Kinder waren träge, haben nachmittags viel geschlafen und die üblichen Aktivitäten waren alle lästig. Musikunterricht, Sport, Landesvater. So habe ich konsequent den Rotstift angesetzt und Druck rausgenommen. Vor allem den schulischen Druck habe ich gelöscht. Dieser sollte eigentlich nicht mehr von so großer Bedeutung sein, da wir die Schule verlassen und kein Kämpfen um Verbleib in der Schule oder nicht auf dem Programm stand. Aber wer kann schon in Kinder schauen. Die Schwierigkeiten lagen mit Sicherheit auch daran, daß mein Mann schon in Shanghai arbeitet und wir eine Fernehe führen und der geplante Abflug nach Shanghai erst 7 Monate später für mich und die Kinder sein sollte. Diese Zeitspanne ist zu lang. Das kann ich jetzt klar feststellen. Das nochmalige vor Ort sein ist elementar, also die neue Wohnung wirklich schon mal sehen und den Kühlschrank anfassen und auf das neue Bett springen, die Kuscheltiere persönlich hinbringen und den Aufzug in den 36. Stock testen, den Pförtner kennenlernen und mit Neo, dem Familienchauffeur, quatschen, den Weg in die Schule mal abfahren und am besten die Schuluniform zeitig kaufen, abklären, ob es auch HB Bleistifte in China gibt und einen Ort finden, wo der Koffer abgestellt werden kann, da wir nun keinen Keller mehr haben. Uff, aber alles sehr wichtig in den Augen von Kindern.

Über die meisten Dinge mache ich mir keine Gedanken. Ich habe da gar keine Zeit für und finde es auch nicht wichtig. Aber den Kindern ist es wichtig! Aus diesem Grund fliegen wir Ostern mit den Kindern nach Shanghai, dann wir alles haptisch, visuell und Papi muss nicht mehr so viele Fotos schicken.

Ich habe über diverse Fb Gruppen Kontakt zu Shanghai Expatmüttern gefunden. Das ist so wichtig und ich bin richtig happy. Annett hat ihren Sohn auch an der BISS – British International School of Shanghai – und wir treffen uns an Ostern. Sie hat mich bereits in eine Eltern WeChat Gruppe aufgenommen und mir einiges über die schule aus Elternsicht erzählt. Das habe ich gleich an die Jungs weitergegeben. Auf dem Flug nach Shanghai treffe ich eine andere Mutter, die viele Jahre an der Deutschen Schule in Shanghai Lehrerin war und die liebend gerne sofort zurück nach Shanghai gehen würde und von der ich bereits jetzt viel Tips bekommen habe und auf dem Flug sicher noch mehr Tips bekommen werde. Danke im Voraus!

Hilfe gibt es auch von der Schule – unglaublich!

So merke ich immer wieder, dass ein Netzwerk von großer Bedeutung ist und nicht nur mir eine Sicherheit gibt, sondern besonders den Kindern. Der Schule in Shanghai habe ich auch geschrieben, dass meine Jungs sich schwer tun und Gillian hat wunderbar reagiert und Hilfe angeboten. So gibts da schon einen Buddy und wir können noch einmal zur Schule kommen und Lehrer treffen. Es ist eben wichtig zu verbalisieren, dass Hilfe benötigt wird und mir ist es noch nie passiert, dass Du keine Hilfe erfährst. Es liegt nicht in der Natur des Menschen, sich schwach zu geben, Sunshine ist besser. Das Thema ist aktueller denn je. Da schliesse ich mich ein. Jedoch bei einem Komplettwandel des Lebensmittelpunktes bist Du einfach auf Hilfe angewiesen. Das kann ich jedem neuen Expatpaar, jeder neuen Expatfamilie an die Hand geben.

Alle Lachen wieder

Das tiefe Tal ist durchschritten, die Kinder lachen wieder, die Zweifel verflogen, das Setup verändert und dass besondere Situationen besondere Massnahmen erfordern ist klar und da muss man auch mal 2 Tage blau machen und Mamizeit am Vormittag geniessen ohne den Bruder und die Schwester. Mich hat es viele unruhige Nächte bereitet und viel Telefonate mit meinem Mann, immer wieder reflektieren, was muss anders sein, was kann besser sein und wie ist die Fröhlichkeit zurück zu bekommen. Meine grauen Haare sieht keiner – habe eine gute Friseurin, die ich jetzt schon vermissen werde, wenn ich in Shanghai bin, aber das nur am Rande!

Ich freu mich über Kommentare und über Erfahrungsaustausch, ist ja nicht alltäglich, daß du in die Ferne ziehst.

Luise

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16. Blog am 7.3.2019

In meinem letzten Blogbeitrag mit dem Titel „Mit der Ehe musst du als Expatehepaar vorsichtig umgehen“ habe ich  4 Typen von Ehen vorgestellt. Darin haben ich gesagt, dass eine Fernehe für mich überhaupt nicht in Frage kommt. Und dabei bleibe ich auch. 

In diesem Blogbeitrag will ich davon berichten, dass ich für 7 Monate eine Fernehe mit meinem Mann lebe. Diese Konstellation liegt daran, dass sein neuer Job und damit der Beginn der dritten Auslandsentsendung für ihn schon am 1. Januar begonnen hat und ich mit unseren drei Kindern noch bis Ende des Schuljahres hier in Deutschland bleiben wollte. 

Wir haben beide entschieden, dass ein Wechsel zum Schuljahresende für die Kinder besser ist, da es hier in Deutschland dann ein sauberer Schnitt ist und für unsere Zwillinge in Shanghai ein geordneter Schulstart in ein neues Schuljahr mit neuen Mitschülern an der British International School of Shanghai ist. Für unsere Tochter wäre es auch blöd geworden zum Januar in das Internat in Schottland zu gehen und in ein laufendes Schuljahr einzusteigen. So haben alle drei einen richtigen Start nach langen Sommerferien und kommen hoffentlich ausgeruht und mit viel Mut und Energie in ihre neue Umgebung. Zum Glück wird mein ältester Sohn seine Schwester in Schottland in Empfang nehmen. Er ist schon seit ein eineinhalb Jahren dort. 

Wie ist das Leben ohne Mann im Alltag? 

Das Neue Jahr beginnt ja immer mit vielen guten Vorsätzen, so auch bei mir. Ich habe mir einen Plan gemacht, was ich alles machen werde und vor allem wie ich es mache ohne zwei helfende Hände meines Mannes. Die ersten 3 Wochen waren fast herrlich. Ich habe weiterhin mein Sportprogramm mit unserem Fitnesstrainer fortgeführt und ich war richtig gut. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag eine Ecke im Haus zu bearbeiten, also Ausmisten, Wegschmeißen, Verschenken, Umsortieren. Erst waren es meine Schubladen, dann mein Büro, dann der Kleiderschrank meines Mannes, die Regale im Keller und natürlich vieles mehr. Das hat auch prima funktioniert. Meine Vormittage waren länger, da ich schon mit Verabschiedung der Kinder zur Schule um 7:30 Uhr direkt “meine Zeit“ begann und auch abends wenn die Kinder im Bett waren auch wieder “ meine Zeit“ begann, wo ich nicht Rücksicht auf meinen Mann nehmen musste. Natürlich ist es schön, wenn wir abends zusammensitzen und bei einem Glas Wein so dit und dat besprechen. Aber ich habe es erstmal nicht vermisst, sondern die Zeit genossen und auch mal ausgiebig 2 Stunden mit einer Freundin telefoniert. Es war herrlich. 

Jedoch waren die anderen vielen Dinge der alltäglichen Organisation in meinen Händen und auch und im Besonderen die Umzugsorganisation und Planung. Das beginnt beim Fahrservice für die Kinder zu ihren Aktivitäten unter der Woche und besonders am Wochenende und auch der Kühlschrank, die Getränkevorräte und die Mülltonnen, die Rechnungen und der Hund, die Hausaufgaben und das Lernen heftete und heftet an mir. 

Mit der Zeit merke ich, dass es doch wirklich sehr viel ist und ich bei einigen Dingen zu einem Umdenken kommen musste. Banale Dinge wie Lebensmittel online zu bestellen oder auch die Hausaufgabenbetreuung an zwei Tagen in der Woche an einen lieben Studenten zu übergeben. 

Zu allem Organisatorischen haben wir uns noch für eine große Abschiedsparty entschieden, die ja auch irgendwie organisiert werden muss. Aber wir feiern beide gerne und haben auf so manchen Festen oder Hochzeiten das Licht hinter uns ausgemacht. Muss also sein. 

Im Kleinen wie im Großen finde ich einfach eine Fernehe doof, das habe ich nun gemerkt und ich bewundere Freunde, die dieses Modell leben. 

Wie empfinden die Kinder diese Fernehe?

Für meine Kinder ist eine Fernehe nicht einfach, denn ich kann meinen Mann nicht ersetzen. Wir haben so ein Ritual am Morgen. Mein Mann und ich stehen auf, einer von uns weckt unsere Tochter, das geht recht flott und dann gehen wir beiden zu den Zwillingen, abwechselnd zum einen und zum anderen. Wir legen uns nochmal kurz zu den Jungs ins Bett und kuscheln und stimmen uns auf den Tag ein. Das ist wichtig, vor allem einer von den Zwillingen braucht eine Portion Stärke für den Schultag. Hmm, leider kann ich mich nicht teilen und dieses Ritual fällt entweder kleiner aus oder findet gar nicht statt. Ja, ich könnte früher aufstehen und mich um beide ausreichend kümmern. Nein, es ist nicht das gleiche. So ist nun seit geraumer Zeit das Bett meines Mannes belegt, abhängig davon wer am lautesten quengelt oder wer es am nötigsten braucht. So liegt nicht nur ein Kind neben mir im Bett, sondern auch eine ganze Armada von Kuscheltieren. Auch schön. 

Im Alltag macht sich die Abwesenheit meines Mannes auch bemerkbar. Papi ist in der Ferne. Er erledigt schon mal alles dort. Er lebt die Wohnung ein und bestellt beim Schweden die ausgesuchten Möbel und lässt sie aufbauen. Die Zimmer füllen sich und die Kinder freuen sich darauf. Mein Mann schickt Fotos und versucht, uns daran Teil zu haben. Aber so ganz rund ist es dennoch nicht. Es gibt soo viele Fragen: Mami, wie genau ist die Wohnung nun denn jetzt. Wo genau stelle ich meinen Koffer hin, wir haben ja jetzt keinen Keller mehr. Gibt es in Shanghai genau die gleichen Bleistifte für die Schule zu kaufen? Das sind Fragen, um die ich mir nun wirklich keine Gedanken mache. Jedoch sind diese Fragen Sinnbild für das Ungewisse und Papi kann das zwar aus der Ferne alles erklären und beschreiben. Es reicht nicht. Fragen über Fragen. 

Die Zwillinge wurden krank – Bauchweh. Fieber. Weinen. Zweifel. Existenzsorgen. Mami zieht alle Register – Verwöhnprogramm: Druck rausnehmen, vom verpflichtenden Sportprogramm abmelden, Abendessen vor der Glotze, Extrashopping, mehr faulenzen und mal nix machen bis zu Blaumachen in der Schule, weil die Kraft fehlt und weil der Vormittag nicht mit Vertretungsstunden verplempert wird, sondern gefüllt wird mit Quality Time with Mom! Funktioniert. 

Dennoch habe ich alles mit meinem Mann besprochen, der auf mein Bauchgefühl zum Glück hört und wir gemeinsam entschieden haben, 10 Tage Expatehe in Shanghai in den Osterferien zu zelebrieren. Die Kinder können dann mit Papi im neuen Bett morgens kuscheln, für den Koffer schon mal die richtige Stelle in der Wohnung suchen und auch sich versichern, dass auch in China die Kinder Bleistifte in der Schule benutzen und sie in Geschäften zu finden sind. 

Die Zeit werden wir nutzen und noch einmal mit den Zwillingen in die neue Schule gehen und dank der fb Weltfrauen Gruppe habe ich eine Familie gefunden, dessen Kind auf die gleiche Schule geht und wir ihn dann treffen werden. Also, schon mal die Lage von Schüler zu Schüler abchecken. Und all das mit Papi und Mami zusammen machen. 

Wie ist die Fernehe für ein 14-jährige? 

Für unsere Tochter ist die Fernehe meiner Einschätzung nach nicht so schwierig. Sie ist eh sehr selbständig und macht so ihr Ding. Manchmal verkriecht sie sich in ihrer Höhle zu viel, jedoch ist sie happy dort und ich locke sie heraus, weil ich sie mehr sehen möchte und nicht, weil ich dass Gefühl habe, sie verkriecht sich. Gesichtert ist diese Annahme nicht. Aber wer kann schon gut in die Gefühlswelt von Teens schauen. Ich bin mir aber sicher, dass es ihr gut geht und sie findet das Mami-Verwöhn-Programm sicherlich auch klasse. Besonders das vermehrte Shopping findet sie sicherlich gut. Das klingt jetzt so, als wenn ich durch Materielles die bessere Stimmung der Kinder mir erkaufe, aber es ist Teil meines Programms. So bin ich und dazu stehe ich! 

Haben mein Mann und ich etwas falsch gemacht? 

Diese Frage stelle ich mir seit ein paar Tagen immer wieder, ob wir den Kindern mit der 7 monatigen Trennung einen Fehler gemacht haben und unseren Kinder zu viel zumuten. Ich habe sicherlich das ein oder andere weniger schwierig eingeschätzt, jedoch haben wir reagiert und mit Verwöhnprogramm, easy going und Ostern in Shanghai das Ruder rumgerissen. So denke ich oft an unsere zweite Auslandsentsendung vor 14 Jahren zurück. Da waren die Kinder eben noch  klein und wir mussten uns um ihre Gefühlswelt keine Sorgen machen. Unser Fokus lag auf der Organisation und wir haben uns mehr um unsere Gedankenwelt gekümmert. So kann ich sagen, dass ein Expatleben mit kleinen Kindern sicherlich einfacher ist. Ich bin Mitglied in zwei Expatforen auf fb (Expatmamas und Weltfrauen) und diese Meinung lese ich immer wieder von Müttern, die um Rat fragen, weil ihre Teenager unglücklich sind. Mir ist klar, dass wenn das Leben in Shanghai losgeht und auch das Leben für unsere Tochter in Schottland losgeht, mein Mann und ich die Zwischentöne unserer vier Kinder sehr genau erfassen müssen und sicherlich immer wieder ein Verwöhnprogramm ansteht, sei es Shopping oder eben besondere Quality Time mit der ganzen Familie. Es ist alles kein Hexenwerk, aber das Bewusstsein dafür muss eben auch vorhanden sein. 

Ich freue mich von Dir als Leser über ein Feedback oder auch Erfahrungsberichte. Die beiden fb Gruppen helfen mir sehr und ich teile auch gerne meine eigenen Erfahrungen. 


Die Übergangszeit vom Status Quo ins Expatleben ist gar nicht so einfach

Mein 14. Blog am 4.Februar 2019 

Die Mailandzeit

 Der Start in unser erstes Expatleben vor 20 Jahren gestaltete sich rückblickend als sehr einfach. Das Angebot kam, mein Mann und ich überlegten als junges Ehepaar ohne Kinder, ob wir das Abenteuer Bella Italia machen wollen. Die Entscheidung war einfach. Mailand, die Stadt der Mode, der tollen Restaurants, dem weltberühmten Teatro della Scala und dem “Bella Vita“ lockten uns sehr und wir sahen die Chance, unser Leben abseits der Eltern und Schwiegereltern selbst zu gestalten. Diese Chance ergriffen wir. Ohne Kinder haben wir unsere Zweisamkeit in vollen Zügen genossen. Am Ende des Monats war kein Geld mehr da, wir nagten immer mal am Ersparten, waren aber mit wenig auch zufrieden und freuten uns umso mehr auf den nächsten Restaurantbesuch in der ersten Woche des neuen Monats. Wir hatten kein umfangreiches Eigentum, keine vielschichtigen Verpflichtungen, sondern genossen das Leben. Wir kauften ein BMW Cabriolet und flitzen wie selbstverständlich an den Wochenenden an die Riviera oder in die Berge. Es war einfach nur schön. Diese Jahre als Expats mit Kontakten zu vielen anderen Expats hat uns geprägt. Ich war in der Professional-Women-Association of Milan und traf viele andere Expatfrauen. Hier traf ich Julie, meine Gynäkologin, die meine Schwangerschaft begleitete, hier traf ich Wendy, die mir Kleider aus toskanischer Wildseide schneiderte und hier traf ich die Texanerin Debbie, die einen Schotten in einer verwunschenen toskanischen Burg heiratete und viele andere interessante Frauen aus allen Herren Länder. Hier bekam ich Kontakte und plötzlich war ich auch in der italienischen Arbeitswelt verankert – als Relocation Agentin. Die Jahre vergingen, wir wurden Eltern und 2003 endete die Expatzeit. 

Die Mexikozeit

Zwei Jahre in der Heimat waren schön. Mein Mann bekam verrückte Angebote für entlegene Länder, unter anderem Argentinien. Das sollte dann nichts werden und plötzlich stand Mexiko City auf dem Plan. Viel wusste ich nicht über das Land, das gebe ich zu. Auch hier kam das Angebot, wir überlegten als Eltern von einem 2 jährigen Autoverrückten Blondschopf und einer 5 Monate alten zuckersüßen Tochter, ob wir dieses Abenteuer auf uns nehmen. Ja! Expatleben 2.0! Ein Abenteuer, eine Herausforderung mit zwei kleinen Kindern. Ein bisschen Erfahrung brachten wir ja mit und eine tolle Relocation Agentur half uns bei allen Unwägbarkeiten. Beim Look and See Trip entdeckten wir diese pulsierende Stadt mit den bunten Märkten, mit dem tollen Essen, mit der Kulturgeschichte und mit Diego Rivera und Frida Kahlo. Die Eingewöhnungszeit gestaltete sich als unkompliziert. Die Kinder waren noch so klein, dass die Kinder glücklich machen zu müssen nicht auf dem Programm stand, sondern eher wie mein Mann und ich das Beste für uns zusammenbauen konnten. Wir tauchten ein in das mexikanische Leben und waren schnell Mitglied im Deutschen Sportclub und die Kinder, dann 3 und 1 Jahr, kamen in eine Krippe und in den Deutschen Kindergarten. In der evangelischen Gemeinde lernten wir flott andere Familien kennen und über die Deutsche Botschaft und das German Center weitere. Wir landeten sanft, denn meine beste Freundin hatte eine Freundin, die dort schon länger lebte und uns so herzlich empfangen hat, dass ich überwältigt und gerührt war. Es entstand eine tolle Freundschaft. 

Auch hier war der ganze Prozess des Umziehens und des Einlebens recht leicht auch wenn ich immer mal wieder meine Zweifel bekam und ich einfach nur nach Hause wollte. Mexiko haben wir in unser Herz geschlossen. Hier sind unsere Zwillinge auf die Welt gekommen. Die Jahre vergingen und plötzlich ging es zurück in die Heimat pünktlich zur Einschulung vom ältesten Sohn. 

Die Chinazeit – sie kommt in großen Schritten auf uns zu

Ich habe immer gesagt, dass 8 Jahre als Familie für eine Firma im Ausland zu leben einfach genug ist und ich in meiner Heimat alt werden möchte und hier ohne weitere Unterbrechungen mein Leben gestalten, formen und geniessen möchte. Diese Rechnung ist nicht ganz aufgegangen, auch wenn ich mich vor ungefähr 2 Jahren einmal erfolgreich gewehrt habe. Im März letzten Jahres kam mein Mann dann wieder mit der Info nach Hause, dass seine Firma ihn für eine Auslandsentsendung in Betracht zieht. Mein Mann dachte, die Antwort von mir zu kennen, wollte trotzdem aber nochmal nachfragen, um ein definitives nein zu hören, um dann seinem Arbeitgeber eine Absage mitzuteilen, denn wir machen alles zusammen und Option Fernehe gibt es bei uns nicht. Jedoch erwischte er mich am rechten Tag zum rechten Zeitpunkt. Ich hatte meine Meinung geändert. Warum? Irgendwie hat sich seit der ersten Absage so viel in der engen und erweiterten Familie verändert, dass ich selber vielleicht nach einer Veränderung im Unterbewusstsein Ausschau gehalten hatte. 

Nun stecken wir mitten in den Vorbereitungen für einen erneuten Umzug, diesmal ins ferne Asien, das gemietete Haus geben wir auf, eine große Wohnung haben wir gekauft, die jedoch erst in der Entstehung ist, unser Wochenendhaus braucht eine Betreuung, unser Hund braucht eine neue Bleibe, denn er ist zu alt. Nach 10 Jahren in Deutschland mit vier Kindern hat sich eine Menge Hab und Gut angesammelt, dies muss dezimiert werden.

Unser ältester Sohn ist bereits im Internat in Schottland und bleibt dort, unsere Tochter zieht es auch dort hin und unsere Zwillinge kommen mit uns nach Shanghai. Das Gefüge bricht irgendwie auseinander. Es ist merklich komplizierter geworden, denn mein Mann und ich klären feinfühlig, was für unsre Kinder das Beste ist. Wir haben gemeinsam entschieden, aber für jedes Kind ist klar, dass immer Änderungen möglich sind, sei es für die Zwillinge eine deutsche Schule oder für unsere Tochter doch Shanghai. 

Die To-Do Listen sind merklich länger geworden im Vergleich zu unserem Start in das erste Expatleben in Italien, vor 20 Jahren hatten wir auch noch keine 4 Kinder und noch kein Haus, noch kein umfangreiches Hab und Gut, keinen Hund und noch nicht einen Berg an Akten, die stetig auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. 

Es ist spannend und aufregend zugleich, anstrengend und fordernd und in diesem Gefüge darf natürlich auch die Ehe nicht darunter leiden, dass wir nur noch organisatorische Gespräche führen. 

Ich gehe nach dem Prinzip Step-by-Step. 10 Dinge kannst Du nicht gleichzeitig erledigen oder anschubsen. Ein bis zwei am Tag und die dann aber richtig. Mir hilft da ungemein ein Wochenplan zu erstellen, so ein bisschen Bullet Journal. Das macht auch noch Spaß. Am Ende der Woche schaue ich dann, was erledigt ist, was ich nicht geschafft haben und was ich wann weiterführen muss.  Und immer wieder treffen ich bewusst Freunde und suche Auszeiten. Das Schöne ist, es macht die Übergangszeit bis zum Abflug bunt und herzlich, erinnerungsreich und immer wieder bereichernd. 

Bis nächste Woche! 

Loslassen und Neuorientieren – das ist Expatleben

Mein 13. Blog am 28.1.2019 

Ins Ausland zu gehen bedeutet neben dem Verlassen meiner gewohnten vier Wände auch eine Verschiebung meiner Interessen und auch meiner Priorisierung der Dinge, die ich tue, für die ich brenne und für die ich viel Zeit in den letzten Jahren  mit viel Freude aufgebracht habe. Die Verschiebungen sind signifikant. Es liegt daran, dass ich den Fokus anders setzen muss, weil die Zeit einfach für alles nicht vorhanden ist und die Kraft für alles fehlt.  

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